§ 412. Nachlaßschulden. Inventarerrichtung. 813
tarisierungsantrag des Erben vor dem Ablauf der Frist bei Gericht eingeht; in dem einen
wie dem andern Fall ist das Inventar vom Nachlaßgericht zu verwahren; es kann von
jedem eingesehn werden, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht (2002, 2003, 2010).
In Bayern und andern Rechtsgebieten sind zur Nachlaßinventarisation ausschließlich die
Notare zuständig (EG. 148; AusfGes. Bayern 167 I usw.); in Preußen kann das Nachlaß-
gericht das Inventar auch seinerseits aufnehmen oder die Aufnahme einem Dorf= oder Orts-
gericht oder einem Gerichtsvollzieher übertragen (2003; pr. Ges. v. 24. April 1878 § 74 Nr. 3;
pr. F. 108, 122, 123).
Ist beim Nachlaßgericht schon ein formgerechtes Nachlaßinventar vorhanden, so kann
die Anfertigung eines neuen Inventars unterbleiben, falls der Erbe vor Ablauf der In-
ventarfrist dem Nachlaßgericht gegenüber ausdrücklich erklärt, jenes Inventar solle „als von
ihm eingereicht gelten“ (2004).
I) Inhaltlich soll das Inventar sich sowohl über die Aktiva wie über die
Passiva des Nachlasses verbreiten: beide soll es vollständig und wahrheitsgemäß
angeben, und zwar die Aktiva nach ihrem Stande beim Tode des Erblassers
und unter Bezeichnung ihres Werts (2001). Doch ist die Regel in dieser All-
gemeinheit bloße Ordnungsvorschrift; ihre Verletzung zieht also die Ungültig-
keit des Inventars für sich allein nicht nach sich. Vielmehr ist das Inventar
nur dann ungültig, wenn den Erben der Vorwurf absichtlicher Fälschung trifft,
genauer: wenn er absichtlich die Fortlassung erheblicher Aktiva aus dem In-
ventar herbeigeführt oder umgekehrt in der Absicht, die Nachlaßgläubiger zu
benachteiligen, die Aufnahme nicht bestehender Nachlaßschulden in das Inventar
bewirkt hat (2005 1 Satz 1).
Beispiel. Ein Erbe, der zurzeit von der Überschuldung des Nachlasses nichts weiß
und deshalb an eine Gefährdung der Nachlaßgläubiger nicht denkt, läßt absichtlich die Wert-
papiere des Erblassers unerwähnt, weil sie bei einem Bankier verschlossen lagern und er zu
bequem ist, um sich über die Papiere zu informieren; dagegen nimmt er unter die Passiva
die Verpflichtung des Erblassers aus einem mündlichen Schenkungsversprechen auf, obschon
ihm die Ungültigkeit dieser Verpflichtung bekannt ist, in der Meinung, damit im Sinn des
Erblassers zu handeln. Hier ist beides falsch. Doch macht nur der erste Verstoß des Erben
das Inventar ungültig, der zweite nicht.
Der absichtlichen Falscherrichtung des Inventars steht es gleich: I. wenn die Angaben
des Inventars über die Nachlaßaktiva als unvollständig erwiesen werden und der Erbe nicht
binnen einer ihm zu diesem Zweck bestimmten neuen Inventarfrist eine Ergänzung des In-
ventars herbeiführt; II. wenn der Erbe die Inventarisation des Nachlasses durch Beamte
beantragt hat, aber die Erteilung der für die Inventaraufnahme erforderlichen Auskunft
seinerseits verweigert oder absichtlich sehr verzögert (s. 2005 I Satz 2, II).
2. In gewissen Fällen kann ein einzelner Nachlaßgläubiger es erwirken,
daß der Erbe wenigstens gegenüber ihm endgültig unbeschränkt haftbar wird,
während die Haftbeschränkung des Erben gegenüber den andern Nachlaß-
gläubigern unberührt bleibt. Hierher gehört zunächst der Fall, daß der Gläu-
biger mit dem Erben dessen endgültig unbeschränkte Haftung vertragsmäßig
vereinbart. Außerdem kommen noch zwei weitere Fälle in Betracht.
a) Der Gläubiger hat für seine Forderung ein rechtskräftiges Erkenntnis
erlangt, und der Erbe hat es versäumt, sich in dem Urteil die beschränkte
Haftung vorbehalten zu lassen (Z8P. 780 0.
2) R. 59 S. 301.