820 Buch VIII. Abschnitt 4. Die Rechtsstellung des Alleinerben.
hörigen Gegenstande zu beziehn ist, so daß sie denjenigen, der eine Nachlaßsache gepfündet
hat — und nur von diesem ist jetzt die Rede — gar nicht trifft; denn was hätte es für
einen Sinn, dem Nachlaßgläubiger A. das durch seine Pfändung erwirkte Vorrecht an
einer Nachlaßsache zu entreißen, nur damit ein andrer Nachlaßgläubiger B., der um nichts
besser ist als A., sich daraus befriedige?
4. Besondre Regeln gelten, wenn ein Nachlaßgläubiger ein Absonderungsrecht an einem
Nachlaßgrundstück hat und dieses Recht zur Sicherung einer Forderung dient, die nicht bloß
jenes Grundstück, sondern auch den sonstigen Nachlaß verhaftet; Hauptfall ist eine Hypothek,
für die der Erblasser zugleich als Pfandschuldner und als persönlicher Schuldner einstand.
a) Ein derartiges Absonderungsrecht ist für den Erben um deswillen besonders un-
bequem, weil es den übrigen Nachlaß in unbestimmter Höhe belastet, so daß ein Urteil
darüber, ob der Nachlaßrest zur Berichtigung der andern Nachlaßschulden ausreicht, oft unmög-
lich ist. Das Gesetz gestattet deshalb dem Erben, den Zugriff des Absonderungsberechtigten auf
das ihm verhaftete Grundstück zu beschränken und den übrigen Nachlaß haftfrei zu machen.
Das Mittel hierzu ist, daß der Erbe die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt;
es wird nämlich alsdann ein „geringstes Gebot“ bestimmt, das alle auf dem Grundstück
lastenden Absonderungsrechte voll berücksichtigt; sobald dies geschehn, ist der Erbe befugt,
denjenigen Absonderungsberechtigten, denen bisher auch der übrige Nachlaß verhaftet war,
die Befriedigung hieraus mittels Einrede zu verweigern, vorausgesetzt, daß er ihr Ab-
sonderungsrecht anerkennt (RZwes. 175 I, 44, 179). Selbstverständlich brauchen sich aber
die Absonderungsberechtigten diese Verkürzung ihrer Sicherheit nicht wehrlos gefallen zu lassen.
Vielmehr kann ein jeder von ihnen den Angriff, den der Erbe durch seinen Antrag auf
Zwangsversteigerung gegen ihn macht, dadurch parieren, daß er im Versteigerungstermin
vor Schluß der Verhandlung eine Herabsetzung des geringsten Gebots auf den Betrag der
seinem eignen Anspruch vorausgehenden Absonderungsrechte verlangt (RZwes. 176, 174).
Alsdann ist das Grundstück — gerade wie in dem Fall einer Zwangsversteigerung, die im
Konkurse des Grundstückseigentümers vom Konkursverwalter beantragt wird — zweimal
auszubieten, das erstemal unter Zugrundelegung des hohen sämtliche Absonderungsrechte
deckenden, das zweitemal unter Zugrundelegung des herabgesetzten nur die vorausgehenden
Absonderungsrechte deckenden geringsten Gebots; werden bei beiden Ausbietungen verschieden
hohe Gebote abgegeben, so geht diejenige Ausbietung vor, bei der das höchste zulässige
Gebot abgegeben ist; die Folge der Herabsetzung ist, daß der Absonderungsberechtigte, der
sie verlangt hat, seinen Zugriff auf den übrigen Nachlaß behält (RZwes. 179, 174,
81 I). — Beispiele. Auf dem vom Erben zur Zwangsversteigerung gestellten Nachlaß-
grundstück ruhn verschiedene Absonderungsrechte; werden sie alle berücksichtigt, so ist das
g. G. 100000 Mk.; das lenzte dieser Rechte ist eine Hypothek des A., die mit Zinsen und
Kosten 60000 Mk. ausmacht, so daß das g. G., wenn nur die dem A. vorausgehenden An-
sprüche berücksichtigt werden, auf 40000 Mk. sinkt; die persönliche Forderung A.8, zu deren
Sicherung die Hypothek dient, verhaftet den ganzen Nachlaß; einziger Bieter bei der Zwangs-
versteigerung ist B. Nun sind sechs verschiedene Fälle zu unterscheiden. I. A. hat die Herab-
setzung des g. G.s nicht verlangt: das Grundstück wird also nur einmal bei einem g. G.
von 100000 Mk. ausgeboten. 1. B. bietet 105000 Mk. und erhält dafür den Zuschlag.
Hier bleibt A.s Hypothek auf dem Grundstück liegen; A. verliert aber den Zugriff auf den
übrigen Nachlaß. 2. B. bietet 95000 Mk. und erhält dafür den Zuschlag nicht. Trotzdem
ist das Schicksal A.s das gleiche wie zu 1: denn das Gesetz schließt den Zugriff des Hypo-
thekengläubigers auf den übrigen Nachlaß sofort bei Bestimmung des g. G.3 und nicht erst
bei Erteilung des Zuschlages an den Ersteher aus. “ II. A. hat die Herabsetzung des ge-
ringsten Gebots beantragt; das Grundstück wird also zuerst bei einem g. G. von 100000
und dann bei einem g. G. von 40000 Mk. ausgeboten. 1. B. bietet nur in der ersten Aus-
bietung. a) Er bietet 105000 Mk. und erhält dafür den Zuschlag. Hier bleibt A.3 Hypo-
thek auf dem Grundstück liegen, und es bleibt außerdem sein Zugriff auf den übrigen
Za) Jäger, Erbenhaftung S. 9, Endemann 3 § 101 ½, Wilke Anm. 3 zu § 1990.
4) Jäckel-Güthe, Komment. z. RZwEGes. Anm. 2 zu 8 179. Abw. Weißler, Nach-
laßverf. S. 284.