822 Buch VIII. Abschnitt 4. Die Rechtsstellung der Miterben.
II. Mehrheit der Erben.
I. Allgemeines.
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J. Sind mehrere Personen als Miterben berufen, so gelten sie als
Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers in gleichem Umfange wie ein Einzelerbe.
Und zwar ist ihre Gesamtrechtsnachfolge eine gemeinschaftliche, ungeteilte, auch
soweit die Hinterlassenschaft des Erblassers teilbare Rechte oder teilbare Ver-
bindlichkeiten enthält: in alle vererblichen Rechte und Pflichten des Erblassers
treten die Miterben zusammen ein.
II. Die Gemeinschaft, die durch den Erbfall unter den Miterben entsteht,
hat ihr besondres Vermögen: den Nachlaß; ebenso hat sie ihre besondern
Schulden: die Nachlaßschulden.& Nachlaß und Nachlaßschulden fließen, solange
die Gemeinschaft besteht, mit dem Privatvermögen und den Privatschulden
der Erben nicht zusammen; insbesondre bleiben Forderungen, die vor dem Erb-
fall zwischen dem Erblasser und einzelnen oder allen Erben bestanden, während
der Dauer der Erbengemeinschaft in Geltung.
III. 1. Die Miterben sind — in auffälligem Gegensatz zum Alleinerben —
berechtigt, nicht bloß über einzelne Nachlaßgegenstände, sondern auch über
den Nachlaß im ganzen zu verfügen (2033 1); sie können also den Gesamt-
nachlaß nicht bloß mit obligatorischer Wirkung verkaufen, sondern auch dem
Käufer mit dinglicher Wirkung: übertragen; ebenso können sie den Gesamt-
nachlaß verpfänden, einen Nießbrauch daran bestellen, darauf verzichten usw.
Doch gilt für alle Verfügungen, die den Nachlaß als Ganzes treffen, die Er-
schwerung, daß sie der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedürfen
und daß, wenn ein bei der Verfügung beteiligter Miterbe unter elterlicher
oder vormundschaftlicher Gewalt steht, die Genehmigung des Vormundschafts-
gerichts erforderlich ist (2033 I, 1643 I, 1822 Nr. 1).
Beispiel. A.# Nachlaß besteht einzig und allein in einem Hause; seine Erben B. und
C. verkaufen und übertragen den ganzen Nachlaß an D. Hier ist D. Eigentümer des
Hauses geworden, ohne daß es einer Auflassung an ihn oder einer Eintragung im Grundbuch
bedarf. Dagegen ist, wenn C. die Erbschaft ausschlägt und B. den Nachlaß als Alleinerbe
verkauft, eine Auflassung unentbehrlich.
Veräußert ein Miterbe seinen Anteil, so hört er deshalb nicht auf Erbe zu sein und
bleibt insbesondre neben dem Erwerber des Anteils für die Nachlaßschulden haftbar.“
2. a) Verfügungen der Miterben über einzelne Nachlaßgegenstände unter-
1) Kreß, Erbengemeinschaft (03). Siehe RG. 65 S. 5, 74 S. 233.
2) Abw. Wendt, Arch. f. ziv. Pr. 89 S. 455.
3) Strohal 2 S. 97. Abw. Binder S. 95.
4) Strohal 2 S. 368.