Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

844 Buch VIII. Abschnitt 4. Die Rechtsstellung der Erben. 
Dabei muß der TV. die Verfügungen des Erblassers zwar auf eigne Verantwortung 
auslegen, hat aber dabei zu gewärtigen, daß später im Streitfall das Prozeßgericht seine Aus- 
legung als falsch verwirft. Zu einer „authentischen“ Auslegung der Verfügungen ist der 
TV. nicht einmal dann befugt, wenn der Erblasser ihm die Ermächtigung dazu ausdrücklich 
verliehn hat (s. 2065). ꝰ 
b) Er hat zweitens, wenn eine Mehrheit von Erben vorhanden ist, die 
Auseinandersetzung unter ihnen herbeizuführen, also für jeden Miterben die 
ihm gebührende Erbportion zu bilden. Hierbei darf er aber nicht nach billigem 
Ermessen verfahren,“ es sei denn, daß der Erblasser es ihm besonders gestattet 
hätte, sondern muß sich an die steifen Auseinandersetzungsregeln des Gesetzes 
halten (2204 D. Insbesondre fehlt ihm die Befugnis, Nachlaßgegenstände, 
die eine Naturalteilung nicht gestatten, einem Miterben auf dessen Erbportion 
zuzuweisen: er muß diese Gegenstände vielmehr, falls sich die Erben nicht über 
ein andres Verfahren einigen, in Geld umsetzen.1 
Die Unklarheit, mit der diese Frage, die zum täglichen Brot der erbrechtlichen Praxis 
gehört, vom Gesetz behandelt wird, ist geradezu peinlich. So ist z. B. die Frage zweifelhaft, 
ob der TV. zum Zweck der Auseinandersetzung Nachlaßsachen freihändig verkaufen darf oder 
ob er den Erben gegenüber an die Formen der Zwangsversteigerung oder des Pfandverkaufs 
gebunden ist. Für ersteres spricht 2205, für letzteres 2204 (2042 II, 753). Ich entscheide 
mich für das erstere, gebe aber zu, daß die entgegengesetzte Entscheidung 1 nach dem Gesetzes- 
wortlaut gerade ebensoviel für sich hat wie die meinige. 
Sehr zweifelhaft ist, ob, wenn ein Miterbe TV. ist, er die Auseinandersetzung auch 
gegenüber sich selbst vornehmen, also etwa ein Nachlaßgrundstück, das bei der Auseinander- 
setzung auf seinen Anteil gefallen ist, an sich selber auflassen darf. Das Reichsgericht hat 
die Frage bejaht. 3 
2. Um den Testamentsvollstrecker zur Erfüllung seiner beiden Hauptauf- 
gaben zu befähigen, ist ihm die Verwaltung des ganzen Nachlasses über- 
tragen (2205 Satz 1). Und zwar ist seine Zuständigkeit bei der Nachlaßver- 
waltung ungemein weit bemessen. 
a) Der Testamentsvollstrecker kann den Nachlaß in Besitz nehmen (2205). 
b) Der Testamentsvollstrecker kann über den Nachlaß mit Einschluß der 
Nachlaßgrundstücke dinglich verfügen; nur unentgeltliche Verfügungen sind ihm 
versagt, 1 es sei denn, daß sie durch Anstand oder Sitte geboten sind (2205). 
Beispiel. Der von dem verstorbenen A. bestellte TV. läßt ein Nachlaßgrundstück dem 
B. auf. Hier braucht das Grundbuchamt die Frage, ob die Auflassung möglicherweise eine 
unentgeltliche ist, nur zu prüfen, wenn dazu ein besondrer Anlaß vorliegt: andernfalls 
kann es die Auflassung anstandslos entgegennehmen und das Grundstück auf B.8s Namen 
umschreiben auf die Gefahr hin, daß, wenn sie in Wahrheit unentgeltlich geschah, das Grund- 
buch unrichtig ist (s. oben § 420 VI, 1). 
Zu unentgeltlichen Verfügungen ist der TV. nicht einmal dann ermächtigt, wenn die 
9) RG. 66 S. 105. 
10) Abw. Frommhold zu § 2204. 
11) Anders Strohal § 6523.. 
12) Welißler, Nachlaßverfahren S. 188; Kreß, Erbengemeinschaft S. 2538; Planck-Unzner 
Anm. 3d zu 2204. 
13) R. 61 S. 139. 
14) RG. 74 S. 218.
	        
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