Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 185. Eigen-, Fremdbesitz. 8 186. Ursprüngl. Besitzerwerb. 67 
3. Dem entspricht es, daß jeder Besitzer die Art seines Besitzes eigen- 
mächtig verwandeln kann. Doch genügt dazu nicht, daß er eine solche Ver- 
wandlung beschließt, sondern er muß sie auch äußerlich erkennbar machen. 
Beispiel. A. hat eine Sache, die B. verloren hatte, gefunden und mit nach Hause ge- 
nommen; anfangs fühlt er sich als ehrlicher Finder und zeigt den Fund der Polizei an; nachträglich 
läßt er sich von seiner Frau einreden, die Sache sei nicht verloren, sondern von dem bis- 
herigen Eigentümer weggeworfen, und sieht die Sache nunmehr als sein Eigentum an. Hier 
bleibt A. trotzdem so lange Fremdbesitzer, bis er seine Meinungsänderung durch Wort oder 
Tat deutlich bekundet. 
b) Erwerb des unmittelbaren Besitzes. 1 
a) Erwerb neubegründeten unmittelbaren Besitzes. 
186. 
Der Erwerb neubegründeten Besitzes an einer Sache oder, wie 
man ihn auch nennt, der ursprüngliche Besitzerwerb geschieht einfach 
dadurch, daß der Erwerber die tatsächliche Herrschaft über die Sache er- 
langt (854 1). 
I. Der Vorgang, der dem Erwerber neubegründeten Besitz verschafft, besteht 
meist in einer Handlung des Erwerbers, der sog. Besitzergreifung 
(apprehensio); doch kann er sich im Einzelfall auch aus einer solchen Hand- 
lung und einem Vorgange andrer Art zusammensetzen; ja es kann eine Hand- 
lung des Erwerbers sogar gänzlich fehlen. Unerläßlich ist, daß der Vorgang 
sich in unmittelbarer Gegenwart der Sache abspielt; doch braucht deshalb nicht 
auch der Besitzerwerber selber anwesend zu sein. Gleichgültig ist, ob die Macht- 
mittel, die dem Erwerber seine Herrschaft gewähren, physische oder psoychische 
sind; doch müssen sie so stark sein, daß sie nach dem gewöhnlichen Gange der 
Dinge eine längere Dauer der Herrschaft sichern; denn eine Macht, von der im 
voraus anzunehmen ist, daß sie alsbald wieder verloren gehn wird, ist eben 
keine „Herrschaft". 
Beispiele. I. A. erwirbt den Besitz 1. an einem Geldstück, das er auf der Straße findet, 
dadurch, daß er es aufhebt und an sich nimmt, 2. an einem Marder dadurch, daß er in seinem 
Garten eine Falle aufstellt und der Marder sich in ihr fängt, 3. an einem Hunde, der ihm 
vor Monaten gestohlen ist, dadurch, daß der Hund dem Diebe entläuft und sich nachts, während 
im Hause A.3 alles schläft, geräuschlos in seinc alte Hütte niederlegt, obschon der besitzbe- 
gründende Vorgang nur im ersten Fall allein aus einer Handlung des A. besteht, dagegen 
im zweiten Fall wenigstens der zweite Akt des Vorganges (das Hineingeraten des Marders 
in die Falle) sich ohne eine Handlung A.# abspielt, im dritten Fall endlich eine Handlung 
A.3 gänzlich fehlt. II. In allen drei Fällen zu 1 findet der besitzbegründende Vorgang in 
ummittelbarer Gegenwart der Sache statt, um deren Besitz es sich handelt. Dagegen ist der 
Erwerber selber nur im ersten Fall zur Stelle. III. B. will eine Kiesgrube, die an sein 
1) Przibilla, Erwerb des Besitzes (Diss. 05). 
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