8 427. Der Erbschein. 859
Beibringung eines Erbscheins vielmehr fakultativ, es sei denn, daß die Be-
teiligten ein andres vereinbart haben.
Das Recht, die Ausstellung eines Erbscheins zu fordern, haben außer dem Erben auch
seine Gläubiger (3PO. 792, 896).
2. a) Will ein gesetzlicher Erbe einen Erbschein haben, so muß er dem
Nachlaßgericht zunächst die Zeit des Todes des Erblassers sowie seine Ver-
wandtschaft oder Ehe mit ihm durch öffentliche (meist standesamtliche) Urkunden
nachweisen; sodann muß er — anders als wenn es sich nur darum handelt,
sein Erbrecht gegenüber einem bestimmten einzelnen Gegner darzutun — positiv
angeben: I. ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren,
durch die sein Erbrecht ausgeschlossen oder der von ihm in Anspruch genommene
Erbteil gemindert werden würde; II. ob und welche Testamente oder Erbver-
träge des Erblassers vorhanden sind; III. ob ein Rechtsstreit über sein Erb-
recht anhängig ist, und muß ferner vor einem Amtsgericht oder Notar eides-
stattlich versichern, daß er alle diese Angaben nach bestem Wissen gemacht habe;
schließlich muß er, wenn eine Person, deren Vorhandensein sein Alleinerbrecht
ausschließen oder den von ihm in Anspruch genommenen Erbteil mindern
würde, einmal vorhanden gewesen, aber später weggefallen ist, angeben und
durch öffentliche Urkunden belegen, in welcher Art der Wegfall geschah (2354,
2356).
Beispiel. A. will einen Erbschein darüber haben, daß er Alleinerbe seiner Schwester B.
sei. Hier muß er urkundlich belegen: I. den Tod der B., II. daß er mit der B. die Eltern
oder doch Vater oder Mutter gemeinsam habe, III. den Tod der Eltern der B.; außerdem
muß er IV. eidesstattlich versichern, daß seines Wissens die B. unverheiratet geblieben und
kinderlos gewesen sei und außer ihm keine andern Geschwister gehabt habe. Hat die B. außer
der Ehe ein Kind geboren, das bald darauf gestorben ist, so genügt hierfür eine eidesstatt-
liche Versicherung des A. nicht, sondern es ist der Totenschein des Kindes zu beschaffen.
Ist die B. verheiratet gewesen, aber von ihrem Mann geschieden, so ist das Scheidungsurteil
vorzulegen usw.
Ist ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig, so braucht das Nachlaßgericht den
Ausgang des Streits nicht abzuwarten, soll aber, wenn tunlich, vor der Erteilung des Scheins
den Gegner anhören (2360).
Hat der Erbe die ihm obliegenden Nachweise erbracht, so hat das Nachlaßgericht deren
Beweiskraft frei zu prüfen (2359) #; erforderlichenfalls hat es von Amts wegen weitere Er-
mittlungen anzuordnen und die etwaigen unbekannten Erben öffentlich aufzufordern, ihre
Ansprüche binnen bestimmter Frist bei Gericht anzumelden (2358). Andrerseits kann das
Nachlaßgericht aber dem Erben auch gewisse Beweiserleichterungen gewähren, z. B. ihm die
eidesstattliche Versicherung erlassen, wenn es sie für unnötig erachtet; Tatsachen, die bei dem
Nachlaßgericht offenkundig sind, bedürfen eines Beweises überhaupt nicht (2356 I Satz 2,
II Satz 2, III).
b) Will ein Testaments= oder Vertragserbe einen Erbschein haben, so muß
er dem Nachlaßgericht die Testaments= oder Vertragsurkunde vorlegen, auf der
sein Erbrecht beruht; ist dies nicht möglich oder ist die Vorlegung mit unver-
hältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, so genügt die bloße Angabe der Ur-
3) Vgl. Kuttner, Jahrb. f. Dogm. 59 S. 393.