872 Buch VIII. Abschnitt 5. Vermächtnisse und Auflagen.
denklich als stillschweigende Abtretung des Vermächtnisses und die Antwort B.8 als An-
nahme der Abtretung aufzufassen sein.
Eine Ausnahme s. unten § 433 I, 1 d.
II. Die Rechtsstellung der Vermächtnisnehmer ist sehr verschieden, je nach-
dem sie Erst= oder Zweitvermächtnisnehmer sind.
1. Schuldner der Erstvermächtnisnehmer (s. oben § 430 IVa) sind die
mit deren Vermächtnissen beschwerten Erben.
a) Schuldner sind diese Erben als solche. Daraus folgt, daß die Erst-
vermächtnisnehmer zu den Nachlaßgläubigern gehören. Doch werden sie in
einer ganzen Reihe von Beziehungen anders behandelt als die übrigen Nach-
laßgläubiger, und zwar meistens zu ihrem Nachteil.
a)Die Grenze, die das Gebiet der vorläufig unbeschränkten und das Ee-
biet der beschränkten Haftung der Erben scheidet, wird, wenn die Nachloß-
gläubiger Vermächtnisnehmer sind, zugunsten der Erben weit verschoben.
ga) Die vorläufig unbeschränkte Haftung gilt nur soweit, als sie den
Erben ungefährlich ist, nämlich nur, wenn der Nachlaß zur Deckung aller
Nachlaßschulden einschließlich der Vermächtnisse ausreicht. Dagegen macht sie
der beschränkten Haftung Platz, wenn der Nachlaß überschuldet ist (s. 1992); de
Erfordernisse, an die die Gunst der Haftbeschränkung gegenüber den andem
Nachlaßgläubigern geknüpft ist — Sequestration, Dürftigkeit, Ungeteiltheit des
Nachlasses —, werden also gegenüber den Vermächtnisnehmern fallen gelassen!
Mit gutem Grunde. Ist es doch bei allen Vermächtnissen als Wille des Erb-
lassers zu unterstellen, daß sie nur gelten sollen, wenn der Nachlaß nach Abzug
der sonstigen Nachlaßschulden zu ihrer Deckung zureicht.
Hält man sich lediglich an den Wortlaut des Gesetzes, so ist die vorstehende Regel
freilich auf den Fall einzuschränken, daß die Überschuldung des Nachlasses einzig und allein
auf Vermächtnissen und Auflagen beruht. Dagegen würden, wenn der Nachlaß bereits durch
andre Verbindlichkeiten überschuldet ist, die gewöhnlichen Haftungsregeln gelten. Ich lann
mir indes nicht denken, daß der Gesetzgeber dies wirklich so gemeint hat. 1 Beispiel: As
Aktivnachlaß ist 5000 Mk. wert, aber mit einer Darlehnsschuld gegenüber dem Vater #
und einer Vermächtnisschuld von 300 Mk. gegenüber B. beschwert; ist es denkbar, daß die
Hastung der Erben A.s gegenüber B. unbeschränkt ist, wenn A. seinem Vater 5005 Ml.
schuldig war, daß sie beschränkt ist, wenn A. an seinen Vater nur 4995 Mk. zu zahlen hatte
66) Die Haftbeschränkung, die den Erben bei Überschuldung des Nachlassss
gegenüber den Vermächtnisnehmern zuteil wird, ist durch Einrede geltend #
machen; erheben die Erben die Einrede, so sind sie verpflichtet, den Nachluß
herauszugeben, auf daß die Vermächtnisnehmer sich daraus im Wege der
Zwangsvollstreckung Befriedigung verschaffen; doch müssen die Vermächtnis-
nehmer (gerade wie andre Nachlaßgläubiger, wenn sie im Aufgebotsverfahre
ausgeschlossen sind) es sich gefallen lassen, daß die Erben, statt den Nachleß
in Natur herauszugeben, den Wert der noch vorhandenen Nachlaßgegenstinde
in Geld bezahlen (1992 Satz 2).
1) Planck-Strohal Anm. 7 zu § 1992. Abw. Wilke Anm. 1 zu § 1992; Staudinger=
Herzfelder Anm. I, 4 zu § 1992.