Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

886 Buch VIII. Abschnitt 5. Vermächtnisse und Auflagen. 
Anhang. Rückblich auf das bisherige Recht. 
g 436. 
I. Das bisherige Recht wich in Ansehung der vom Erblasser verfügten 
Vermächtnisse von den Regeln des Reichsrechts vielfach ab. 
1. Am wichtigsten ist, daß nach bisherigem gemeinem und preußischem 
Recht dem Vermächtnis einer bestimmten dem Erblasser gehörigen Sache ding- 
liche Kraft beigelegt war (sog. Vindikationslegat): der Vermächtnisnehmer er- 
langte also sofort mit dem Vermächtnisanfall das Eigentum der Sache. 
Demnach war die Auflassung eines vermachten Nachlaßgrundstücks seitens der Erben 
an die Vermächinisnehmer nicht erforderlich, sondern das Grundstück wurde im Grundbuch 
auf den Namen der Vermächtnisnehmer im Wege der Grundbuchberichtigung umgeschrieben." 
2. Von sonstigen Abweichungen sei erwähnt: 
aà) die preußische Regel, daß jedes Geldvermächtnis vom Ablauf der ge- 
setzlichen Wartefrist zu verzinsen war ?; 
b) die gemeinrechtliche regula Catoniana, wonach das Vermächtnis einer 
Leistung, die zur Zeit der Vermächtnisverfügung unmöglich war, auch dann 
unwirksam blieb, wenn die Unmöglichkeit vor dem Erbfall gehoben wurde“; 
I) die gemeinrechtliche Regel, daß die Erben ein Viertel des Nachlasses 
nach Abzug der sonstigen Nachlaßschulden frei von Vermächtnissen beanspruchen 
konnten (quarta falcidia) und demnach Vermächtnisse, die zusammen mehr als 
drei Viertel des Nachlasses ausmachten, verhältnismäßig kürzen durften." 
II. Die drei gesetzlichen Vermächtnisse waren bisher nur in einzelnen 
Rechtsgebieten anerkannt, z. B. der „Voraus" des Ehegatten in Altpreußen“ 
das Recht des Dreißigsten? in Sachsen." Der „Dreißigste“ führt auf eine 
früher weit verbreitete uralte deutsche Rechtssitte zurück. 
III. Das bisherige Recht der Auflagen war im Vergleich zum Reicherecht 
1. strenger, weil es dem Beschwerten, der die Erfüllung der Auflage schul- 
haft unmöglich machte, Erbschaft oder Vermächtnis ganz entriß; 
2. milder, weil es dem, dem der Wegfall des Beschwerten zustatten 
kommen würde, ein Recht auf die Erfüllung der Auflage nicht zusprach.“ 
Zusatz zu Abschn. V. Kollisionsnormen und Übergangsvorschriften siehe oben hinte 
§391. 
1) Pr. LN. I, 12 8 288; Dernb. 3 § 645. 2) Pr. Grundbuchordn. von 1872 1 3.. 
3) Pr. LR. I, 12 8 328. 4) Dernb. 3 §S 104. 5) Dernb. 3 5§ 101. 
6) Pr. LR. II, 1 §§ 628, 629. 7) Homeyer, Der Dreißigste (64). 
8) Sächs. GB. 2249. 9) Dernb. 3 § 84; Eccius § 250 III.
	        
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