892 Buch VIII. Abschnitt 7. Das Pflichtteilsrecht.
und nach deren Tode in einem spätern Testament die C., indem er zugleich seinen Freund
D. zum Testamentsvollstrecker ernennt; die C. stirbt aber einige Tage vor ihrem Bruder,
so daß ihre Erbeseinsetzung hinfällig ist und gesetzliche Erbfolge eintritt. Hier wäre, wenn
man in der Entziehung des dem B. zustehenden Pflichtteilsrechts zugleich eine Enterbung des
B. sehn müßte, als gesetzlicher Erbe A.s der Fiskus berufen. In Wirklichkeit hat aber B.
sein gesetzliches Erbrecht behalten. Ubrigens hat B. auch in diesem Fal unter der Entziehung
seines Pflichtteilsrechts zu leiden: er muß sich die Zuordnung des D. als Testamentsvoll-
strecker gefallen lassen, während ein pflichtteilsberechtigter Erbe diesen Zwang abzuschütteln
in der Lage wäre (23060).
2. Das Pflichtteilsrecht fehlt ferner demjenigen Angehörigen, der durch
einen mit dem Erblasser abgeschlossenen Erbverzichtvertrag (2346 I Satz 2)
oder durch Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit (s. 2344), sowie dem Ehegatten,
der durch eine vom Erblasser gegen ihn erhobene Ehescheidungsklage sein
gesetzliches Erbrecht eingebüßt hat.
3. Das Pflichtteilsrecht fehlt endlich demjenigen Angehörigen, der durch
einen mit dem Erblasser abgeschlossenen Vertrag zwar nicht auf das gesetzliche
Erbrecht, aber doch auf das Pflichtteilsrecht Verzicht geleistet oder der zwar
nicht das gesetzliche Erbrecht, aber doch den Pflichtteilsanspruch durch An-
fechtung wegen Erbunwürdigkeit eingebüßt hat; auf jenen Vertrag und diese
Anfechtung kommen dieselben Regeln zur Anwendung wie auf einen Erbver-
zichtvertrag oder auf die Anfechtung eines Vermächtnisanspruchs wegen Erbun-
würdigkeit (2346 II, 2345 II).
IV. In einigen Rechtsgebieten, z. B. in Sachsen und Bremen, findet sich neben dem
Pflichtteilsrecht der Angehörigen auch ein Pflichtteilsrecht öffentlicher Pflege= und Unter-
stützungsanstalten gegenüber Erblassern, die in der Pflege oder Unterstützung dieser Anstalten
gestorben sind (EwG. 139; AussfGes. Sachsen 44, Bremen 62).
2. Bas Bftichtteilsrecht gegenüber Verfügungen des Erblassers von Todes megen.
a) Das Pflichtteilsrecht im allgemeinen.
§ 441.
Das Pflichtteilsrecht der nahen Angehörigen des Erblassers ist sehr ver-
schieden, je nachdem es sich um das Recht der Kinder oder um das Recht der
entfernteren Nachkommen oder um das Recht der Eltern oder endlich um das
Recht des Ehegatten handelt.
I. Das Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers hängt von der Art
und der Größe dessen ab, was der Erblasser den Kindern hinterlassen hat,
wie folgt.
1. Erster Fall: das pflichtteilsberechtigte Kind ist durch Testament oder
Erbvertrag des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge ausdrücklich oder still-
schweigend gänzlich ausgeschlossen und auch mit einem Vermächtnis des Erb-
lassers nicht bedacht.