Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

894 Buch VIII. Abschnitt 7. Das Pflichtteilsrecht. 
Beispiel. Wenn in dem zu 1a genannten Fall A. als Erben den B. auf ½5, den C. 
auf ¼, den D. auf ¾ eingesetzt hat, kann B. außer seinem Zwölftel-Erbteil noch einen 
Zusatzpflichtteil in Höhe von ½. ½.60000 — 1/12.60000 = 5000 Mk. fordern. Dagegen 
bleibt C. auf seinen Viertel-Erbteil beschränkt. 
3. Dritter Fall: das Kind ist als Erbe berufen und dabei vom Erblasser 
in Ansehung seines Erbteils durch Vermächtnisse oder Auflagen beschwert oder 
durch Teilungsanordnungen oder durch die Vorschiebung eines Vor= oder die 
Nachordnung eines Nacherben oder durch die Ernennung eines Testaments- 
vollstreckers beschränkt. Hier braucht das Kind sich auf die beschwerte oder 
beschränkte Erbschaft nicht einzulassen. Vielmehr wird ihm geholfen wie folgt. 
a) Ubersteigt der hinterlassene Erbteil die Hälfte seines gesetzlichen Erb- 
teils, so kann das Kind die Auszahlung des vollen Pflichtteils fordern; doch 
muß es alsdann den ihm hinterlassenen Erbteil ausschlagen; will es das nicht, 
so kann es irgendeine Pflichtteilszahlung nicht beanspruchen und muß sich 
auch die vom Erblasser angeordneten Beschwerungen und Beschränkungen 
widerspruchslos gefallen lassen (2306 1 Satz 2, II). 
b) Kommt der hinterlassene Erbteil der Hälfte des gesetzlichen Erbteils 
gerade gleich, so werden dem Kinde die ihm auferlegten Beschwerungen und 
Beschränkungen kraft Gesetzes erlassen, als ob sie gar nicht angeordnet wären; 
das Kind erwirbt also den ihm hinterlassenen Erbteil unbeschwert und un- 
beschränkt (2306 1I Satz 1, II). Weitergehende Ansprüche werden ihm nicht zu- 
gestanden. 
I) Bleibt endlich der hinterlassene Erbteil hinter der Hälfte des gesetzlichen 
Erbteils zurück, so werden dem Kinde die ihm auferlegten Beschwerungen und 
Beschränkungen gleichfalls erlassen; außerdem kann das Kind aber von den Mit- 
erben noch die Zahlung eines Zusatzpflichtteils fordern (2306 1 Satz 1, I1; 2305). 
Beispiel. Nehmen wir an, daß A. in dem zu 2 genannten Fall seine drei Kinder 
durch die Bestimmung beschränkt hat, daß ihre Einsetzung nur auf Lebenszeit gelien und 
jedem als Nacherbin die Schwester des Erblassers E. folgen solle. Hier hat der auf ¼ be- 
rufene C. die Wahl, ob er die Erbschaft ausschlagen und den vollen Pflichtteil mit ½. ½/.60000 
— 10000 Mk. ohne Beschränkung verlangen oder das ihm zugewendete ½ mit der Be- 
schränkung annehmen will. Ein entsprechendes Wahlrecht hat der auf ½/ berufene D. Da- 
gegen ist die Beschränkung in Ansehung des zu ¼½/12 berufenen B. einfach unwirksam; er 
nimmt also sein ½18 als unbeschränkter Erbe und kann außerdem den gleichen Zusatz- 
pflichtteil wie zu 2 beanspruchen. 
4. Vierter Fall: das Kind ist mit einem Vermächtnis bedacht.3 
a) Hier braucht das Kind sich auf das Vermächtnis in keinem Fall ein- 
zulassen, sondern kann es zurückweisen und von den Erben den vollen Pflicht- 
teil verlangen (2307 1 Satz 1). Darauf, ob das Vermächtnis klein oder 
groß, beschwert oder lastenfrei, beschränkt oder unbeschränkt ist, kommt nichts an. 
b) Aber auch wenn das Kind das Vermächtnis annimmt, gibt es seine 
Pflichtteilsansprüche nicht preis, sondern kann wenigstens dann, wenn der Wert 
des Vermächtnisses hinter dem Wert seines halben gesetzlichen Erbteils zurückbleibt, 
3) Zitelmann, Arch. f. BR. 29 S. 159.
	        
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