896 Buch VIII. Abschnitt 7. Das Pflichtteilsrecht.
über ihm hat, aber durch das, was der Erblasser ihm durch gesetzliche Erbfolge
oder Erbeseinsetzung hinterlassen hat, derart bedacht ist, daß er neben oder
statt dieser Hinterlassenschaft nach den Regeln zu I, 2 a, 3b einen Pflichtteil
nicht verlangen kann. Daß der nähere Nachkomme seinen etwaigen Pflichtteils-
anspruch „annimmt"“, ist — anders als bei der zu a genannten Hinterlassen-
schaft — nicht erforderlich; der nähere Nachkomme benachteiligt also durch
seinen Pflichtteilsanspruch das Pflichtteilsrecht der entfernteren Nachkommen
auch dann, wenn er erklärt, er wolle den Anspruch nicht geltend machen, ja
sogar dann, wenn er den Anspruch verjähren läßt.“
Beispiele s. zu 3.
3. Dagegen erleidet das Pflichtteilsrecht der entfernteren Nachkommen
eine empfindliche Anderung, wenn der nähere Nachkomme den Erblasser über-
lebt und eine der beiden zu 2 a und b genannten Voraussetzungen nicht er-
füllt ist.
a) Fällt dem näheren Nachkommen durch das, was er aus der Hinter-
lassenschaft des Erblassers annimmt, oder durch seinen Pflichtteilsanspruch oder
durch beides zusammen ein Betrag zu, der die Hälfte seines gesetzlichen Erb-
teils oder den Wert dieser Hälfte erreicht oder übersteigt, so ist ein Pflichtteils-
recht der entfernteren Nachkommen gänzlich ausgeschlossen.
b) Fällt dem näheren Nachkommen ein geringerer Betrag zu, so ist das
Pflichtteilsrecht der entfernteren Nachkommen nur in Höhe dieses Betrages
ausgeschlossen, bleibt dagegen in Höhe der Differenz zwischen ihm und dem
halben gesetzlichen Erbteil des näheren Nachkommen in Kraft.
Beispiele. I. Der Erblasser A. ist Witwer; aus seiner Ehe ist nur ein Kind, der Sohn
B., hervorgegangen; von diesem hat A. einen Enkel C. gewonnen; B. und C. überleben den
A.; A.s Nachlaß beträgt 20000 Mk. 1. A. hat in seinem Testament den B. unbeschränkt
und unbelastet zu seinem Alleinerben ernannt und als Ersatzerben unter ausdrücklicher Ent-
erbung des C. den N. berufen. a) B. hat die Erbschaft A.s ausgeschlagen. Hier kann C.
den vollen Pflichtteil mit 10000 Mk. sordern, da B. weder aus A.8 Hinterlassenschaft etwas
angenommen hat noch für sich einen Pflichtteil verlangen kann. b) B. hat die Erbschaft
angenommen. Hier darbt C des Pflichtteilsrechts, weil B. zwar für sich keinen Pflichtteil
fordern kann, aber durch das, was er aus der Hinterlassenschaft A.s annimmt, mehr als die
Hälfte seines gesetzlichen Erbteils erhält. 2. A. hat in seinem Testament zu seinem Alleinerben
den N. berufen, den C. ausdrücklich enterbt, dagegen den B. schweigend übergangen. a) N.
und ebenso der als gesetzlicher Erbe an seine Stelle tretende B. schlagen die Erbschaft aus.
Hier kann C., wie im Beispiel I, 1 a, den vollen Pflichtteil fordern. b) N. schlägt die Erbschaft
aus, B. nimmt sie an. Hier darbt C., wie im Fall 1, 1 b, des Pflichtteilsrechts. c) N. nimmt
die Erbschaft an. Hier darbt C. gleichfalls des Pflichtteilsrechts, da B. für sich den vollen
Pflichtteil fordern und damit den Wert seines halben gesetzlichen Erbteils decken kann. Hieran
ändert auch der Umstand nichts, daß B. sich mit seinem Vater über die Berufung des N. und
die Enterbung des C. verständigt hat und demgemäß von seinem Pflichtteilsanspruch keinen
Gebrauch macht oder daß er gar mit N. nachträglich die Aufhebung seines Pflichtteilsan-
spruchs vereinbart. Dagegen wäre anders zu entscheiden, wenn B. bereits bei Lebzeiten des
Vaters auf sein Pflichtteilsrecht vertragsmäßig formgerecht verzichtet hätte; denn in diesem
5) Strohal § 50".