902 Buch VIII. Abschnitt 7. Das Pflichtteilsrecht.
ziehung des Pflichtteilsrechts; sie wird unwirksam, wenn zur Zeit des Erbfalls
der Nachkomme sich dauernd von dem verschwenderischen Leben abgewendet hat
oder seine Überschuldung nicht mehr besteht (2338 II).
V. Nicht selten setzt ein Erblasser seine Angehörigen durch Testament oder
Erbvertrag ausdrücklich auf den Pflichtteil. Diese Einsetzung auf den Pflicht-
teil kann bedeuten, daß der Erblasser die Angehörigen auf die Hälfte ihres ge-
setzlichen Erbteils als Erben einsetzt oder daß er ihnen eine Geldsumme, die
ihrem Pflichtteil gleichkommt, vermacht oder daß er lediglich ihr gesetzliches
Pflichtteilsrecht bestätigt. Im Zweifel ist das letzte anzunehmen (s. 2304).
VI. Für die Ansprüche eines Pflichtteilsberechtigten, der vom Erblasser in
seinem gesetzlichen Erbrecht verkürzt ist, kommt es auf die Person dessen, dem
die Verkürzung zugut kommt, in keiner Weise an: der Pflichtteil eines von seiner
verwitweten Mutter enterbten einzigen Kindes ist gleich dem Geldwert des
halben mütterlichen Nachlasses, mag die Mutter als ihre Erben ihre Geschwister
oder ihren Liebhaber oder den Fiskus eingesetzt haben!
b) Der Anspruch auf den Pflichtteil.
a) Die rechtliche Natur des Pflichtteilsanspruchs.
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I. 1. Kann ein Pflichtteilsberechtigter nach den bisher entwickelten Regeln
den vollen Pflichtteil oder einen Zusatzpflichtteil beanspruchen, so wird ange-
nommen, daß er den Anspruch sofort mit dem Erbfall kraft Gesetzes erworben
habe (2317 1). Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch von Umständen ab-
hängig ist, die erst nach dem Erbfall eintreten: hier findet der Erwerb des
Pflichtteilsanspruchs tatsächlich erst nach dem Erbfall statt, wird aber auf den
Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen.
2. Der Erwerb des Pflichtteilsanspruchs ist, anders als der einer Erb-
schaft oder eines Vermächtnisses, sofort ein endgültiger. Eine einseitige Aus-
schlagung des Pflichtteils ist also unwirksam.
II. Der Pflichtteilsanspruch hat lediglich obligatorische Wirkung. Die
Pflichtteilsberechtigten erlangen also durch den Erwerb des Anspruchs keines-
wegs einen Anteil an der Erbschaft, sondern nur ein Forderungsrecht gegen
die Erben: sie sind, soweit sie den Pflichtteil fordern können, nicht Miterben,
sondern Nachlaßgläubiger.
1. Die Pflichtteilsberechtigten sind nicht Miterben. Demnach sind sie von
der Teilnahme an der Verwaltung des Nachlasses ausgeschlossen; es bedarf
zu einer Verfügung über den Nachlaß ihrer Mitwirkung nicht; sie werden bei
der Auseinandersetzung unter den Miterben nicht zugezogen usw.
Beispiel. A., der jüngste Sohn des Erblassers B., möchte das zum väterlichen Nachlaß
gehörige Schloß erwerben und bittet deshalb seine Geschwister, das Schloß zu versteigern