Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

904 Buch VIII. Abschnitt 7. Das Pflichtteilsrecht. 
2. ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von dem Eintritt 
des Erbfalls an. 
5) Berechnung des Pflichtteils. 
8 444. 
I. 1. Der Pflichtteil ist ein Bruchteil des Werts des reinen Nachlasses. 
Demnach werden bei der Berechnung des Pflichtteils die Forderungen der 
Nachlaßgläubiger vom Aktivnachlaß vorweg in Abzug gebracht. Nur die 
Pflichtteilsansprüche selbst sowie die Ansprüche aus Vermächtnissen und Auf- 
lagen bleiben unberücksichtigt; doch gilt eine Ausnahme für das gesetzliche Vor- 
ausvermächtnis des Ehegatten: dieses wird vom Nachlaß abgezogen, wenn der 
Pflichtteil der Eltern des Erblassers zu berechnen ist (2311 1 Satz 2).1 
Beispiel. A. hinterläßt als gesetzliche Erben den Vater B. und die Ehefrau C.; beide 
sind mit einem Vermächtnis von je 15000 Mk. belastet; als Ersatzerbe für den Vater B. 
ist dessen Bruder D. berufen; B. schlägt die Erbschaft aus, Frau C. und D. nehmen sie 
an; die Nachlaßaktiva haben einen Wert von 32000 Mk., wovon auf den Voraus des 
Ehegatten 8000 Mk. kommen: Nachlaßschulden sind außer den Vermächtnissen und Pflicht- 
teilsansprüchen nicht vorhanden. Hier beträgt der Pflichtteil des Vaters ¼. (32000 — 
8000) = 6000 Mk. 
2. Maßgebend ist der Wert des Nachlasses? zur Zeit des Erbfalls (2311 I 
Satz 1). Der Pflichtteilsanspruch bleibt also in voller Höhe bestehn, auch wenn 
die Nachlaßaktiva nach Eintritt des Erbfalls entwertet werden oder verloren 
gehn; der Satz, daß die Erben für die Pflichtteilsschulden so gut wie für andre 
Nachlaßschulden vorläufig oder endgültig mit ihrem Privatvermögen haftbar 
sind, kann in diesem Fall eine große praktische Bedeutung gewinnen. Ebenso 
verharrt aber der Pflichtteilsanspruch auf seiner anfänglichen Höhe auch in 
dem umgekehrten Fall, daß der Wert des Nachlasses nachträglich steigt. 
Gehört zum Nachlaß ein Landgut, so kann der Erblasser bestimmen, daß bei der Be- 
rechnung des Pflichtteils das Gut nicht mit dem vollen Schätzungswert, sondern nur mit 
dem Ertragswert anzusetzen ist (s. 2312; EG. 137; pr. AussGes. 83). 
3. Der Pflichtteilsberechtigte kann von den Erben Auskunft über den 
Bestand des Nachlasses sowie die Aufnahme eines amtlichen Nachlaßinventars 
sordern, es sei denn, daß er selber Miterbe ist (s. 2314).3 
1I. 1. Sind mehrere Nachkommen des Erblassers vorhanden und würde 
einer von ihnen im Fall der gesetzlichen Erbfolge eine Zuwendung des Erb- 
lassers zum Ausgleich zu bringen haben, so ist die Ausgleichsrechnung auch bei 
der Bestimmung des Pflichtteils der Nachkommen durchzuführen: der Pflichtteil 
jedes Nachkommen ist also gleich der Hälfte dessen, was im Fall der gesetzlichen 
Erbfolge unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht auf seinen Erbteil ent- 
1) R. 62 S. 109. 
2) RG. 72 S. 379. 3) RG. 62 S. 111.
	        
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