906 Buch VIII. Abschnitt 7. Das Pflichtteilsrecht.
der Pflichtteil seines zweiten Sohns ¼. 80000 +T. ¼. (80000 + 20000) — 20000 —
25 000 Mk. aus.
2. Das eben geschilderte Anrechnungsverfahren ist von dem zu II. erörterten Aus-
gleichsverfahren wesentlich verschieden.
a) Es greift Platz, auch wenn nur ein einziger Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist,
und gilt nicht bloß gegenüber den Nachkommen, sondern auch gegenüber den Eltern und
dem Ehegatten des Erblassers.
b) Es kann nur eine Verminderung, niemals aber eine Erhöhung des Pflichtteils
herbeiführen. Denn es werden, wenn eine Mehrheit von Pflichtteilsberechtigten vorhanden
ist, nicht sämtliche dem Anrechnungszwange unterworfene Zuwendungen dem Nachlaß auf
einmal zugezählt und alle Pflichtteile von dem also vergrößerten Nachlaß berechnet. Viel-
mehr erfolgt die Zuzählung jeder Zuwendung getrennt für sich, nämlich nur bei der Be-
rechnung des Pflichtreils desjenigen, dem die Zuwendung angerechnet wird. In dem zu 1
besprochenen Fall wird demgemäß der Nachlaß nur bei der Berechnung des väterlichen
Pflichtteils auf 100000 + 20000 Mk. angenommen; bei der Berechnung des mütterlichen
Pflichtteils wird dagegen der Nachlaß einfach = 100000 Mk. gesetzt, so daß der Pflichtteil
der Mutier 25000 Mk. beträgt; den Vorteil von der Anrechnung der 20000 Mk. hat also
nur die Braut des Erblassers.
IV. Möglich ist es, daß der Erblasser auch bei einer Zuwendung, die nach den Regeln
zu II. dem Ausgleichungszwange unterliegt, obendrein die Anrechnung auf den Pflichtteil
anordnet. Diese geschieht alsdann in der einfachen Art, daß zunächst der Pflichtteil dessen,
dem die Anrechnung auferlegt ist, im Ausgleichungsverfahren berechnet und alsdann die
Hälfte des Werts der Zuwendung von dem Pflichtteil abgezogen wird (2316 IV). — Bei-
spiel. A. hat seiner Tochter B. 20000, seiner Tochter C. 10000 Mk. als Ausstattung ge-
geben und die Anrechnung der letztern Ausstattung auf den Pflichtteil der C. angeordnet;
bei A.s Tode sind von Pflichtteilsberechtigten beide Töchter und die Ehefrau D. vorhanden;
als Erben hat A. den N. berufen; der Nachlaß beträgt 40000 Mk. Hier ist zunächst der
Pflichtteil der D. ohne Rücksicht auf Ausgleichung und Anrechnung auf ½. ¼¼. 40000
— 5000 Mk. zu bestimmen. Sodann ist von den Dreivierteln des Nachlasses, die bei ge-
setzlicher Erbfolge an beide Töchter fallen würden, im Ausgleichungsverfahren der Pflicht-
teil der B. auf ½ (/ (30000 + 20000 + 10000] — 20000) = 5000 Mk., der Pilichtteil
der C. auf ½ ( (30000 + 20000 + 10000 — 10000) = 10000 Mk. festzustellen. Endlich
ist von dem Pflichtteil der C. der halbe Wert ihrer Ausstattung mit 5000 Mk. abzuziehn,
so daß ihr Pflichtteil sich endgültig ebenso hoch stellt wie der ihrer Schwester.“
*) Die Pflichtteilslast.
§ 445.
I. Sind mehrere Miterben mit einer Pflichtteilsschuld belastet, so haben
sie die Last im Verhältnis zueinander nach Verhältnis ihrer Erbteile zu tragen;
eine Ausnahme gilt, wenn einer von ihnen an Stelle des Pflichtteilsberechtigten
Erbe geworden ist: alsdann liegt, wenn der Erblasser nichts andres verfügt,
die Pflichtteilslast in Höhe des erlangten Vorteils ihm allein ob (s. 2320).
Beispiel. A. ist von seiner Ehefrau B. geschieden und hat in zweiter Ehe die C. ge-
heiratet; sein Sohn erster Ehe D., der andre Angehörige als die Eltern nicht hinterläßt,
testiert: „meine Erbinnen sind meine Mutter und an Stelle meines Vaters, den ich hiermit
enterbe, meine Stiefmutter“. Hier muß Frau C. den dem A. gebührenden Pflichtteil allein
tragen.
6) Planck-Strohal Anm. 8b zu § 2316; Kipp S. 353. Vgl. Strohal § 56½; Lang-
heineken in Nr. 10, v. Jacubezky in Nr. 14 von Seufferts Blätter für Rechtsanwendung 71.