5 189. Anspruch w. Besitzentziehung. Verbotene Eigenmacht. Fehlerhafter Besitz. 75
Ist es streitig, ob eine Besitzentziehung wirklich geschehn ist, so ist beweispflichtig wie
zu a der Anspruchsberechtigte. Doch wird der Beweis genügen, daß die Besitzentziehung
ohne Mitwirkung des Besitzers geschehn ist.
e) Die eigenmächtige Besitzentziehung muß eine „verbotene“ gewesen, d. h.
sie darf dem Täter nicht vom Gesetz ausnahmsweise erlaubt gewesen sein
861 I, 858 UD.
Beispiele. I. A. sieht einen Schmuck, der ihm vor zwei Jahren gestohlen war, im
Schaufenster des angesehenen Juweliers B. liegen; als B. den Schmuck nicht in Güte her-
ansgeben will, nimmt A. ihn gewaltsam an sich. Hier hat A. verbotene Eigenmacht be-
gangen, weil kein Fall erlaubter Selbsthülse vorlag. II. Anders wäre zu entscheiden,
wenn B. eben im Begriff war, den Schmuck an einen Unbekannten zu veräußern; denn hier
war dem A. die Selbsthülfe erlaubt (229).
Ist es streitig, ob eine eigenmächtige Besitzentziehung verboten oder erlaubt war, so ist
beweispflichtig der Anspruchsgegner (s. 858 1).
3. Die Sache muß sich zurzeit im Besitz des Anspruchsgegners befinden,
und dessen Besitz muß dem Anspruchsberechtigten gegenüber fehlerhaft sein
(861 D. Letzteres ist immer der Fall, wenn der Gegner den Besitz unmittelbar
durch die Eigenmacht, auf der der Anspruch beruht, erlangt hat (858 II Satz 1).
Aber auch wenn die Sache durch jene Eigenmacht erst an Zmwischenbesitzer
gelangt ist, kann der Besitz des Anspruchsgegners gegenüber dem Anspruchs-
berechtigten fehlerhaft sein, dann nämlich (858 II Satz 2),
a) wenn er seinen Besitz von einem Zwischenbesitzer ererbt hat, dessen
Besitz ein fehlerhafter war,
b) wenn er bei seinem Besitzerwerbe die Fehlerhaftigkeit des Besitzes des
Zwischenbesitzers gekannt hat.
Beispiele. I. A. hat dem B. einen Hund gestohlen und seinem Bruder C. geschenkt.
Hier hat B. einen Besitzanspruch wegen der von A. verübten verbotenen Eigenmacht nicht
gegen A. selbst, weil dieser nicht mehr im Besitz ist, sondern nur gegen C., und auch gegen
ihn nur, wenn C. gewußt hat, wie A. zu dem Hunde gekommen ist; daß C. diese Kenntnis
zwar tatsächlich nicht gehabt hat, aber bei ganz geringer Aufmerksamkeit hätte haben können,
genügt nicht. II. Derselbe Fall wie zu I1; nur ist der Hund dem C. entlaufen und von D.
eingesangen; C. und D. haben beide, als sie den Hund an sich brachten, gewußt, daß A. den
Hund dem B. gestohlen hatte. Hier hat B. einen Anspruch wegen der Eigenmacht A.3 nur gegen
D. und auch gegen ihn nur, wenn er nicht bloß den Diebstahl A.s, sondern auch die Kenntnis.
des Diebstahls auf seiten des C. gekannt hat. Dagegen macht der Umstand, daß D. nicht
„Rechtsnachfolger“ des C. geworden ist, nichts aus; denn nach dem Gesetz genügt auch eine
bloß tatsächliche Besitznachfolge; ja es würde wohl auch unschädlich sein, wenn der Hund,
nachdem er dem C. entlaufen, eine Zeitlang besitzfrei gewesen wäre. III. Derselbe Fall wie
zu 1; nur hat A. den Hund dem C. bloß zur Aufbewahrung übergeben. Hier behält B.
aus Gründen, die erst später in der Lehre vom mittelbaren Besitz zu besprechen sein werden
(. umten S. 94 Abs. 1), den Anspruch gegen A. Dagegen gelten bezüglich des Anspruchs
gegen C. dieselben Regeln wie zu 1; der Anspruch gegen C. ist also, gerade wie im Fall der
Schenkung, nur begründet, wenn C. bei Empfang des Hundes den Diebstahl A.s gekannt
b#t. Sehr sinnvoll ist das freilich nicht.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügt es, wenn der jetzige Besitzer den Urheber
der verbotenen Eigenmacht beerbt hat, auch wenn er seinen Besitz anderweit — vielleicht
5) Abw. Hellwig, Rechtskraft S. 357 1.