Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

106 Sechster Abschnitt: Landesverwaltung. 3. Verw. in Bezug auf das physische Leben. 88 59 
über die Versicherung ist dem Landesversicherungsamt übertragen; über Streitigkeiten, die 
sich auf die Versicherung beziehen, entscheidet dagegen nicht das Landes-, sondern das 
Reichsversicherungsamt 7. 
§ 59. C. Gesundheitswesen. 1. Behörden 2). Oberste Behörde das Ministerium 
des Innern und der Justiz. Unter diesem steht die Ministerialabtheilung für öffentliche 
Gesundheitspflege, welche aus einem Ministerialrath als Vorsitzendem und zwei Aerzten, 
einem Thierarzt und einem Pharmazeuten als vortragenden Räthen besteht und ihre 
Beschlüsse kollegialisch faßt. Unter der Ministerialabtheilung endlich stehen die Kreis- 
gesundheitsämter, je eines in jedem Kreise, mit einem Kreisarzt 5) besetzt, dem zum Theil 
Assistenzärzte beigegeben sind. Der Kreisarzt muß eine besondere Staatsprüfung als 
Medizinalbeamter bestanden haben ). Er ist Staatsbeamter und dem staatlichen Dis- 
ziplinarrecht unterworfen. Er dient als technischer Beirath der vom Kreisamt geübten 
Gesundheitspolizei, hat auch die Schulen in gesundheitlicher Beziehung zu überwachen, 
ist Gerichtsarzt'). Zur Behandlung von Kranken ist er nur in geringem Umfange 
verpflichtet). Die Privatpraxis kann ihm sogar verboten werden. Zur Erstattung 
von Gutachten bestehen außerdem Kreis= oder Provinzialvereine, denen jeder Arzt bei- 
treten kann, und die sich selbst frei organisiren, und ferner ein ärztlicher Zentral- 
ausschuß, der aus der Ministerialabtheilung für Gesundheitspflege, mehreren ernannten 
Sachverständigen und endlich aus Delegierten der Provinzialvereine besteht. 
2. Für die nicht in Amtsstellung befindlichen Aerzte gelten lediglich die reichs- 
rechtlichen Regeln. Von hessischen Gesetzen kommt nur die Medizinaltaxe vom 
14. Nov. 1865 — welche übrigens eine abweichende Honorarabrede zuläßt und nur in 
Ermangelung anderweiter Vereinbarung gilt — in Betracht. 
3. Hebammen dürfen in Hessen nur auf Grund eines Prüfungszeugnisses der 
Entbindungsanstalten zu Mainz oder Gießen ihr Gewerbe treiben. Jede geprüfte 
Hebamme kann sich innerhalb Hessens ihren Wohnsitz frei aussuchen. Doch ist unbeschadet 
der Praxis solcher Privathebammen dafür zu sorgen, daß in jedem Hebammenbezirk eine 
oder mehrere Hebammen amtlich bestellt werden?). 
4. Das Apothekergewerbe selbständig betreiben kann nur, wer eine besondere Kon- 
zession ) zum Gewerbebetriebe erlangt hat. Diese Konzession wird nur an geprüfte Apo- 
theker ertheilt, auf Grund einer Konkurrenz, bei welcher Hessen vor Ausländern und 
unter Hessen diejenigen, die das Examen früher oder besser bestanden haben, zu bevor- 
zugen sind ?). Die Konzession gilt an und für sich nur für die Person des Erwerbers 
und ist nicht veräußerlich. Die Regierung kann also, wenn eine Konzession durch Tod 
oder Verzicht ihres Inhabers erlischt, eine neue Konzession ertheilen, an wen sie will; 
doch kann sie dem Erwerber der neuen Konzession vorschreiben, daß er das Inventar 
des Inhabers der alten Konzession käuflich erwerbe —, was dahin führt, daß der neue 
Konzessionär dem alten mittelbar auch seine Konzession abkaufen muß. In einzelnen 
Fällen kann übrigens die Regierung auch den Erwerber der neuen Konzession nicht frei 
auswählen: es können nämlich die Wittwe und Kinder des alten Konzessionärs unter 25 Jahr 
134.8 1) Hess. V. v. 2. Aug. 1890. Bek. v. 30. Sept. 1890; 23. März 1892. R. Ges. 112, 131 
80. 
2) V. v. 28. Dez. 1876. 
3) Dienstinstruktion v. 14. Juli 1884. Ueber delegirte Aerzte V. v. 6. Nov. 1879. 
4) V. v. 29. Dez. 1883. 5) Gebührentaxen 5. Nov. 1879. 
6) Bei Landeswaisen, Gefangenen u. s. f., Zeller 1, S. 231. 
7) Medicinalordn. v. 25. Juni 1861, § 39 f. 
8) Annalen f. d. deutsche Reich, 1877, S. 936. 
9) Bek. v. 9. Febr. 1881.
	        
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