Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

110 Sechster Abschnitt: Landesverwaltung. 4. Verw. in Bezug auf das wirthschaftliche Leben. 8 61. 
bei Tage zu benutzen befugt ist oder nicht. Die Polizeiverordnung nämlich, welche das 
Mindestmaß des Luftraums vorschreibt, ist nicht bloß für zulässig, sondern für obli- 
gatorisch erklärt. Obligatorisch ist es auch, daß jeder Schlafstellenraum eine polizeiliche 
Aufschrift erhält, welche die höchste zulässige Schläferzahl angibt. Ferner kann die 
Polizeiverordnung außer der Bestimmung des Luftraums noch andere Erfordernisse fest- 
setzen, welcher die Schlafstelle genügen muß. Endlich kann die Polizei die Benutzung der 
Schlafstelle nicht bloß untersagen, wenn sie gesundheitsschädlich ist, sondern auch dann, 
wenn die Person des Vermiethers oder seiner Haushaltungsgenossen die Annahme recht- 
fertigt, daß die Vermiethung der Schlafstelle zu Unsittlichkeiten führen werde. 
6. Baubehörden. In Baupolizeisachen steht dem Kreisamt als technische Behörde 
mit gutachtlicher Stimme das Kreisbauamt zur Seite. Auch die einzelnen Gemeinden 
müssen, z. B. bei Besichtigung eines fertiggestellten Neubaus, Techniker zuziehen. Bau- 
technische, aber nicht baupolizeiliche Oberbehörde ist die Abtheilung für Bau- 
wesen im Finanzministerium. Staatsbauten werden von demzjenigen 
Ministerium, in dessen Ressort sie gehören, selbständig geleitet, derart, daß das Mini- 
sterium die örtlichen Baubehörden unmittelbar mit Anweisungen versieht; die Ministerial- 
Bauabtheiluug wird bloß fakultativ um ihr Gutachten ersucht 7. 
7. Gegen baupolizeiliche Verfügungen haben die Betheiligten das Recht der Be- 
schwerde mit achttägiger Frist. Im Falle der Enteignung findet das Verwaltungsstreit- 
verfahren vor dem Provinzialausschuß statt; Entschädigungsfragen werden im Rechts- 
wege erledigt. Gegen Verfügungen, die auf Grund des Gesetzes von 1893 erlassen 
werden, geht die Beschwerde an den Kreisausschuß, und weitere Beschwerde an den 
Provinzialausschuß; Frist 14 Tage. 
§ 61. b. Feuerpolizei. 1. Ueber Feuer-Baupolizei siehe 8 60. 
2. Ueber die Behandlung und Aufbewahrung feuergefährlicher Sachen (Petroleum 
u. dgl.) enthält das Polizeistrafgesetzbuch eine Reihe von Bestimmungen?). Im Uebrigen 
z. B. für Sprengstoffe, gilt Reichsrecht. 
3. Die Reinigung der Schornsteine wird durch Regulativ vom 26. Jan. 1875 
bestimmt. Für jeden Kehrbezirk wird vom Kreisamt nach Anhörung des Kreisausschusses 
ein Schornsteinfeger-Meister bestellt, der in dem Bezirke die Schornsteinreinigung allein 
zu besorgen hat. Der Meister hat keinen Anspruch auf Entschädigung, weder wenn die 
Grenzen seines Bezirks geändert noch wenn seine Bestellung, wie jederzeit zulässig, ganz 
widerrufen wird. Für die Schornsteinfegergebühren sind im Regulativ feste Taxen 
vorgesehen. 
4. Das Feuerlöschwesen 3) ist Sache der Ortsgemeinde; ausnahmsweise können 
aber mehrere Gemeinden zu einem Feuerlöschverbande zusammengelegt werden. Die Ge- 
meinde oder der Verband ist zur Anschaffung der nöthigen Löschgeräthe und zur Ein- 
richtung von Feuerwehren verpflichtet; die Aufsicht führen die Kreisämter unter technischer 
Beihülfe von Kreisfeuerinspektoren. Die Feuerwehr ist entweder eine freiwillige und 
gibt sich alsdann ihre Organisation durch ein autonomes von Gemeinde und Kreisaus- 
schuß zu genehmigendes Statut selber, oder sie ist Pflichtfeuerwehr und wird alsdann 
durch eine Art Aushebungsverfahren von der Gemeinde mit der Maßgabe gebildet, daß 
Frauen, Personen unter 18 und über 50 Jahr, Beamte u. s. f. von der Aushebung 
frei bleiben. Es besteht eine eigene Landesfeuerlöschkasse, die von Mitgliedern der Brand- 
1) V. v. 9. Dez. 1876. 2) Art. 142—177. 
3) Ges. v. 29. März 1890 u. V. v. 11. Okt. 1890. Dazu ergänzend für jeden Kreis eine 
Kreis-, für jede Stadt eine Ortsfeuerlöschordnung.
	        
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