Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

8 65. Eisenbahnen. 117 
Jede Konzessionsertheilung an die hessische Ludwigsbahn ist unzweifelhaft ein Akt 
des öffentlichen Rechts gewesen. Wenn nun der Staat bei Ertheilung oder gelegentlich 
einer späteren Aenderung der Konzession das Recht des Erwerbes der Eisenbahn für sich 
festsetzte, so muß eine solche Festsetzung als integrirender Theil der Konzession angesehen 
werden und ist deßhalb gleichfalls ein Akt des öffentlichen Rechts. Zug um Zug in— 
dem der Staat kraft seiner Staatshoheit die Konzession ertheilte oder abänderte, hat 
er kraft der nämlichen Staatshoheit jener Konzession die Bedingung zugefügt, daß er 
befugt sein solle, die Bahn unter Einhaltung gewisser Fristen zu erwerben. Und er 
hat dies nicht als Fiskus gethan, in Verfolgung rein finanzieller Zwecke; es liegt also 
kein Akt der Finanzverwaltung vor. Sondern der Staat hat es in Verfolgung einer 
Reihe öffentlichrechtlicher Zwecke gethan, vor Allem um die Leitung des öffentlichen Ver- 
kehrs in Hessen nicht für unabsehbare Zeit aus der Hand zu geben. 
Man darf also die Festsetzung des staatlichen Erwerbsrechts nicht auf einen Kauf- 
vertrag, genauer auf ein pactum de emendo zwischen Staat und Bahngesellschaft 
zurückführen. Freilich hat die Festsetzung wirthschaftlich mit einem pactum de 
eemendo große Aehnlichkeit, und es ist deßhalb begreiflich, daß selbst die Regierung das 
Erwerbsrecht gelegentlich als ein Ankaufsrecht bezeichnet hat. Juristisch liegt aber 
der wesentliche Unterschied vor, daß das pactum de emendo ein privatrechtlicher Ver- 
trag ist, während die Festsetzung des staatlichen Erwerbsrechts, wie gezeigt, ein staats- 
rechtlicher Akt gewesen ist. 
Hieran ändert nichts, daß der Staat sich das Erwerbsrecht nicht bloß für das 
Recht des Eisenbahnbetriebes, sondern auch für das Eisenbahnunternehmen selbst, den 
Bahnkörper, den Wagenpark u. s. f., also für eine Unzahl beweglicher und unbeweg- 
licher Sachen, die zur Zeit zweifellos im Privateigenthum der hessischen Ludwigsbahn 
stehen und nunmehr in das fiskalische, also gleichfalls privatrechtliche Eigenthum des 
Staats übergehen sollen, ausbedungen hat. Denn solche privatrechtlichen Eigenthums- 
änderungen kommen als Folge öffentlichrechtlicher Akte sehr oft vor, ohne daß deßhalb 
der Akt aufhört, dem öffentlichen Rechte anzugehören. Wenn z. B. der Staat eine zoll- 
pflichtige Sache wegen Zollhinterziehung mit Beschlag belegt, erwirbt er ein privates 
Pfandrecht an der Sache, und wenn, was sehr gut denkbar, eine gollpflichtige Sache 
konfiszirt wird, so erwirbt der Staat sogar Eigenthum daran, und doch wird deßhalb 
die Beschlagnahme oder die Konfiskation keineswegs zu einem Privatrechtsakt. Das 
Nämliche gilt, wenn das Reich im Kriegsfall seinen Pferdebestand durch Zwangsaushebung 
ergänzt oder wenn ein Staat, um sich den Kohlen= oder Salzbezug zu angemessenem 
Preise zu sichern, bestimmte Kohlenbergwerke oder Salzquellen zu seinen Gunsten enteignet. 
Endlich ändert an der öffentlichrechtlichen Natur des staatlichen Erwerbsrechts 
auch der Umstand nichts, daß sich der Staat und die hessische Ludwigsbahn 3 zuvor 
über dessen Bedingungen geeinigt haben. Mag sein, daß man diese Einigung als Ver- 
trag bezeichnet. Aber es giebt auch Verträge des öffentlichen Rechts. Wird z. B. eine 
Zoll= oder Steuerforderung des Reichs dadurch zu einer Privatrechtsforderung, daß das 
Reich und der Schuldner sich über ein Zoll= oder Steueraversum einigen? * Wird das 
Staatsaufsichtsrecht über die Eisenbahn, z. B. das Recht, die Tarife der Eisenbahn 
zu ermäßigen, dadurch zu einem Privatrecht, daß Staat und Eisenbahn bei Ertheilung 
behandelt, und die folgende Darstellung knüpft zum Theil zustimmend, zum größeren Theil wider- 
sprechend an dies Gutachten an. Da indeß Laband's Gutachten nur als Manusfkript gedruckt ist, habe 
ich mich nicht für befugt gehalten, ausdrückliche Citate daraus zu entnehmen. Ein anderes Gutachten 
über den gleichen Gegenstand ist von Georg Meyer erstattet; es ist mir nicht zugänglich gewesen.
	        
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