Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

8 66. Post- und Telegraphenwesen. Kreditwesen. 121 
loses Programm für künftige Sondergesetze. Wichtig ist nur folgende Regel: wenn der 
Staat seine Beihilfe gewährt, können Gemeinden und Gemarkungsinhaber gleichfalls zu einer 
Beihilfe, nämlich zum Erwerbe des Baugeländes für die Bahn, genöthigt werden. Und 
zwar trifft diese Last die betheiligten Gemeinden nicht nach Verhältniß der Länge der 
in die einzelnen Gemarkungen fallende Strecke, sondern ist im Streitfalle unter sie nach 
freiem Ermessen durch den Kreis= bezw. Provinzialausschuß zu vertheilen. 
„Betheiligt“ sind nur solche Gemeinden, die ein eigenes örtliches Interesse am 
Bahnbau haben. Denn nur dies Interesse gibt einen Maßstab für die Vertheilung der 
Kosten des Geländeerwerbes unter die einzelnen betheiligten Gemeinden ab; eine Ge- 
meinde also, die gar kein Interesse an der Bahn hat, kann auch keinen Antheil an diesen 
Kosten haben. Auch kann die Beitragspflicht nicht auf solche Gemeinden beschränkt 
werden, deren Gemarkung von der Bahn berührt wird, sondern alle Gemeinden, welche 
auch nur in der Nähe der Bahn liegen und dadurch Vortheile erlangen, sind beitrags- 
pflichtig !); daraus folgt dann umgekehrt, daß eine Gemeinde, die keinen Vortheil von 
der Bahn hat, auch von der Beitragspflicht frei sein muß, mag ihre Gemarkung auch von 
der Bahn berührt werden. Es genügt also nicht, daß der Bahnbau im großen öffent- 
lichen Interesse liegt; es muß ein Sonderinteresse der zu belastenden Gemeinden hinzu- 
treten. Demnach ist die entgegengesetzte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Z. 11 
S. 100 nicht zu billigen. 
II. Das Post= und Telegraphenwesen?) ist Reichssache. Das Recht, die 
niederen Postbeamten zu ernennen, welches die Reichsverfassung den Einzelstaaten vor- 
behält, hat Hessen durch Vertrag vom 19. Juli 1867 an Preußen abgetreten. 
§ 66. g. Kreditwesen. 1. 1853 wurde in Dannstadt die Aktiengesellschaft 
„Bank für Handel und Industrie“ („Darmstädter Bank“) errichtet. Sie ist eine ge- 
wöhnliche Emissionsbank mit freier kaufmännischer Bewegung, jedoch gemäß der 
ursprünglichen Konzession, welche nach dem zur Zeit ihrer Errichtung geltenden Rechte 
erforderlich war, einer Staatsaufsicht durch ministerielle Kommissäre unterworfen. 
2. 1855 wurde in Darmstadt weiter die Aktiengesellschaft „Bank für Süddeutsch- 
land“ gegründet. Sie ist eine Zettelbank und unterliegt demnach allen Beschränkungen, 
welche das Reichsbankgesetz für Zettelbanken aufstellt. Auch sie wird gemäß der Kon- 
zession durch ministerielle Kommissäre beaufsichtigt. Uebrigens ist sie mit der Bank für 
Handel und Industrie insoweit eng verbunden, als ihre Aktien zum erheblichen Theil 
in deren Besitze sind, und beide Banken von den nänlichen Personen verwaltet werden. 
— Der steuerfreie Notenumlauf der Bank beträgt 10 Millionen, der höchste zulässige 
Notenumlauf 36 981 000 Mark. — Die Konzession läuft 1905 ab. 
3. Durch Gesetz vom 15. Okt. 1890 ist eine Landeskreditkasse ein- 
gerichtet. Sie beschafft sich die nöthigen Geldmittel durch Ausgabe von Staatsschuld- 
verschreibungen, deren Höhe von den Landständen zu genehmigen ist, und die seitens 
des Gläubigers unkündbar, seitens des Staats mit halbjähriger Frist kündbar sind. Die 
Geldmittel sind zu Darlehen für gemeinnützige Unternehmungen, z. B. Feldbereinigungen, 
große Drainagen, Anlegung von Nebenbahnen, Straßen, Wasserleitungen zu verwenden. 
Und zwar werden die Darlehen nur gegen hypothekarische Sicherung gegeben; bloß Ge- 
meindeverbänden und öffentlichen Kulturgenossenschaften kann die Hypothekenbestellung er- 
lassen werden. Der Schuldner muß das Darlehen verzinsen und jährlich mit mindestens 
1 % amortifiren: hält er diese Pflicht ein, so ist das Darlehen seitens des Staates 
1) Entsch. d. Verw.G.'s, Z. 11, S. 84. 
2) Bis 1866 in Hessen vom Fürsten Thurn und Taxis verwaltet. Vertrag v. 31. März 1818.
	        
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