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wie Gemeindeumlagen behandelt, d. h. sie werden ohne Klage durch Verwaltungszwangs-
verfahren beigetrieben, und, wenn die Mitglieder ihre Verpflichtung ablehnen, wird der
Streit — sogut wie jeder andere Streit zwischen der Genossenschaft und ihren Mit-
gliedern — nicht im Rechtswege, sondern im Verwaltungsstreitverfahren entschieden. Es
haften ferner die Beiträge als dingliche Lasten auf den Grundstücken der Mitglieder.
Sodann kann der Vorstand gegen Mitglieder, die seinen rechtmäßigen Anordnungen nicht
Folge leisten, Ordnungsstrafen bis 30 Mark verhängen (Art. 50— 53). Auch gehört
die öffentliche Genossenschaft, wie die Ortsgemeinde, zu den Zwangsgenossenschaften.
Allerdings kann Niemand zum Beitritt gezwungen werden; dafür können aber die Eigen-
thümer benachbarter Grundstücke ihrerseits die Zulassung als Mitglieder erzwingen, sofern
sie einen Antheil an den Anlagekosten übernehmen und der Beitritt ihnen Nutzen, den
älteren Mitgliedern dagegen keinen Schaden bringt. Und ist ein Grundstücksbesitzer
einmal Mitglied geworden, so ist von nun ab sein Verbleib in der Genossenschaft ein
zwangsweiser: weder kann ihn die Genossenschaft gegen seinen Willen ausstoßen (es sei
denn, daß sonst die Erreichung des Genossenschaftszwecks gefährdet wäre) noch kann er
seinerseits gegen den Willen der Genossenschaft und der Aufsichtsbehörde austreten
(Art. 44, 65, 57, 64). — Die Auflösung der Genossenschaft kann mit ⅜8 Mehrheit
jederzeit beschlossen werden; auch von Amtswegen kann sie verfügt werden, z. B. wenn
die Ausführung des Genossenschaftsunternehmens ein Jahr lang unterbrochen wird.
Aufsichtsbehörde ist die obere landwirthschaftliche Behörde.
J) Einzelne Besonderheiten gelten für wasserrechtliche öffentliche Genossen-
schaften 1), die sich mit Uferschutz, mit Ent= oder Bewässerung von Grundstücken u. dgl.
abgeben. Hier ist nämlich der Beitritt der Mitglieder kein freiwilliger, wie bei sonstigen
Landeskulturgenossenschaften, sondern kann zwan gsweise erfolgen: wenn durch das
Unternehmen ein überwiegender Nutzen für die Landeskultur erzielt wird und ferner mehr
als die Hälfte der Betheiligten, nach der Fläche der zu betheiligenden Grundstücke berechnet,
und mehr wie ein Fünftel der Betheiligten nach Köpfen gerechnet, für das Unternehmen
stimmt, so kann jeder Besitzer, ohne dessen Beitritt das Unternehmen nicht zweckmäßig
ausgeführt werden kann, zum Beitritt gezwungen werden. Der Zwang findet unter
Ausschluß des Rechtswegs und sogar des Verwaltungsstreitverfahrens durch die fachliche
Centralbehörde statt; Beschwerde an das Ministerium, welches kollegialisch entscheidet 2.
Wasserrechtliche Genossenschaften sind ferner dadurch ausgezeichnet, daß sie — ohne be-
sondere Verleihung durch großherzoglichen Erlaß oder Sondergesetz — das Enteignungs-
recht besitzen; das Recht greift natürlich nur bei einem aus dem Unternehmen erwachsen-
den Nutzen für die Landeskultur und bloß gegen volle Entschädigung Platz; zuständige
Behörde ist der Provinzialausschuß ).
5. Untheilbarkeit ländlicher Grundstücke mit Individualsuccession kann
dadurch herbeigeführt werden, daß der Besitzer mit landesherrlicher Bestätigung die
Grundstücke zu einem landwirthschaftlichen Erbgut oder zum Familienfideikommiß erhebt;
ersteres ist bei Gütern von mindestens 15".000, letzteres bei Gütern von mindestens
75.000 fl. schuldenfreiem Werth zulässig"). Im Uebrigen ist die Theilbarkeit frei-
gegeben; nur dürfen Ackergrundstücke nicht kleiner als 10, Wiesen nicht kleiner als 6 Ar
werden 5).
6. Ueber die Landvermessung siehe Gesetz vom 14. Aug. 1867 und 14. Juli 1884
und aus früherer Zeit Gesetz vom 23. Okt. 1830, 11. Jan. 1831.
1) Ges. v. 30. Juli 1887, Art. 32—92. Siehe Wiesenkulturgesetz v. 7. Okt. 1830.
2) Art. 52, 141. 3) Art.
4) Ges. v. 11. u. 13. Sept. 1858. 5) Ges. v 28. Sept. 1878, Art. 41.