Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

130 Secchster Abschnitt: Landesverwaltung. 4. Verw. in Bezug auf das wirthschaftl. Leben. § 73. 
4. Will Staat oder Gemeinde ein Mineral, das nicht unter das Berggesetz füllt, 
zu gemeinnützigen Zwecken benutzen, so können sie den Besitzer des Minerals gegen Ent- 
schädigung zur Abtretung nöthigen, falls er nicht erklärt, das Mineral selber ausbeuten 
zu wollen, und diese Erklärung binnen 2 Jahren ausführt . 
§ 73. 8g. Gewerbe. Grundlegend sind die reichsgesetzlichen Bestimmungen. Nur 
für Einzelheiten kommen hessische Gesetze und Verordnungen 2) in Betracht. 
Gewerbefreiheit bestand in Rheinhessen schon seit der französischen Zeit. In Oberhessen und 
Starkenburg ist sie dagegen erst später eingeführt; so ward am 8. Okt. 1818 jedem zünftigen 
Meister der Betrieb seines Gewerbes im ganzen Großberzogthum erlaubt, am 2. Juni 1821 
wurden die geschlossenen Zünfte abgeschafft, am 25. Febr. 1818 wurde der Mühlenzwang, am 
30. Juli 1848 die übrigen Zwangs= und Bannrechte beseitigt; endlich fiel durch V. v. 16. Febr. 
1866 auch der Zunftzwang. 
1. Oberste Behörde das Ministerium des Innern und der Justiz. Unter ihm 
mit begutachtender Stimme die Zentralstelle für die Gewerbe und außerdem der Landes- 
gewerbevereins) mit Lokalsektionen; ferner die reichsgesetzlich eingeführten Fabrikinspektoren; 
die Gewerbepolizei wird durch die Kreisämter ausgeübt. 
2. Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, muß der Bürgermeisterei Anzeige machen; 
außerdem muß er, wenn er gewerbesteuerpflichtig, ein Gewerbepatent!) lösen. 
3. Welche Gewerbe nur auf Grund einer Konzession oder nur nach Ablegung 
einer Prüfung betrieben werden dürfen, bestimmt im Allgemeinen das Reichsrecht. Er- 
gänzende hessische Regeln sind: 
àa) Das Hufschmiedegewerbe darf nur betreiben, wer die amtliche Meisterprüfung 
abgelegt hat?5). 
b) Das Schornsteinfegergewerbe darf nur von den amtlich zugelassenen Schornstein- 
fegermeistern betrieben werden"). 
c) Das Versicherungsgewerbe ist konzessionspflichtig). 
d) Nur wenn ein örtliches Bedürfniß vorhanden ist, darf die Erlaubniß zum 
Ausschank von Branntwein und zum Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus ertheilt 
werden; das Gleiche gilt in Orten mit weniger als 15000 Einwohnern für den Betrieb 
einer Gastwirthschaft und zum Ausschank von Wein und Bier; ebenso in Orten mit mehr 
als 15000 Einwohnern, wenn ein Ortsstatut es so bestimmt 2); thatsächlich ist ein solches 
Ortsstatut in allen hessischen Städten erlassen. 
4. Die Gewerbekonzession wird, soweit sie reichs= oder landesrechtlich vorgeschrieben 
ist, regelmäßig vom Kreisausschuß ertheilt oder verweigert. Dagegen Rekurs an den 
Provinzialausschuß und das Ministerium des Innern und der Justiz. Die Zurück- 
nahme einer Konzession oder Approbation und die Untersagung der ferneren Benutzung 
einer gewerblichen Anlage geschieht dagegen durch den Provinzialausschuß mit Rekurs an 
das Ministerium des Innern und der Justiz?). Die Entscheidungen erfolgen im Ver- 
waltungsstreitverfahren. 
5. Legitimationskarten und Wandergewerbescheine werden vom Kreisamt ertheilt. 
Lehnt das Kreisamt die Ertheilung ab oder will es sie zurücknehmen, so entscheidet der 
Kreisausschuß mit Rekurs an den Provinzialausschuß und das Ministerium des Innern 
und der Justiz 0). 
1) Enteign. Ges. v. 26. Juli 1884, Art. 72. · 
2) Z. B. Bek. v. 24. März 1892 zur Ausführung der Gewerbenovelle v. 1. Juni 1891. 
3) Gegründet 12. Aug. 1836. Jetziges Statut v. 14. April 1892. 
4) Siehe oben S. 69. 5) Ges. v. 13. Juni 1885. V. v. 7. Nov. 1885. 
6) Siehe oben S. 110. 7) V. v. 26. März 1855. 
8) V. v. 10. Nov. 1886. 9) KO. Art. 48 III, Nr. 12, 67; 98, Nr. 2 i; 111. 
10) V. v. 17. Nov. 1883.
	        
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