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abtheilung mit der oberen Kirchenbehörde von einem Geistlichen oder besonderen Religions-
lehrer übernommen wird. Ist kein Lehrer der betreffenden Konfession angestellt, so
braucht die Gemeinde für den Religionsunterricht nur das Schullokal und die Heizung
zu gewähren; doch kann der Kreisausschuß ihr noch weitergehende Lasten auferlegen. —
Wegen des Lehrplanes für den Religionsunterricht muß sich das Ministerium mit den
oberen kirchlichen Behörden „ins Benehmen setzen“, d. h. eine Vereinbarung wenigstens
versuchen; die Lehrmittel werden von der oberen kirchlichen Behörde bestimmt; doch hat
das Ministerium ein Einspruchsrecht. — Für Kinder, in deren Religion an der Schule
kein Unterricht ertheilt wird, müssen die Eltern oder deren Stellvertreter den Religions-
unterricht anderweit besorgen; nöthigenfalls wird dies vom Vormundschaftsgericht zu
erzwingen sein 1). Das gilt selbst für Dissidentenkinder, die gar keiner Religion an-
gehören?). Doch muß für diese eben ein Dissidentenreligionsunterricht genügen. — Die
Aufsicht über den Religionsunterricht steht neben den sonstigen Behörden insbesondere
dem zum Schulvorstande gehörigen Geistlichen der betreffenden Religion oder einem
anderen Geistlichen, der von der oberen kirchlichen Behörde unter Zustimmung des
Ministeriums damit beauftragt wird, endlich der oberen kirchlichen Behörde selber zu.
II. Die Fortbildungsschules) soll den Volksschulunterricht der männ-
lichen Jugend in denjenigen Richtungen, welche für das bürgerliche Leben vorzugsweise
von Nutzen sind, fortsetzen. Sie ist ähnlich geregelt wie die Volksschule. Namentlich
ist jede Gemeinde (auf Anordnung der Kreisschulkommission auch ein Verband mehrerer
Gemeinden) zur Errichtung einer solchen Schule verpflichtet. Auch der Schulzwang
ist eingeführt, jedoch nur für Knaben, die die Volksschule verlassen oder einen nicht
über ihr 16. Lebensjahr hinausgehenden Privatunterricht erhalten haben; er gilt für
drei Jahre. Die Lehrer der Volksschule sind zur Ertheilung des Unterrichts verpflichtet,
der im Winterhalbjahr durch 4—5 Monate an vier wöchentlichen Abendstunden statt-
findet. Fortbildungsschulen für Mädchen werden nur auf besonderen Antrag errichtet.
III. Erweiterte Volksschule 90. Sie dient in größeren Orten als
Bürgerschule. Sie wird wie die gewöhnliche Volksschule als Gemeindeanstalt verwaltet
und unterscheidet sich von ihr nur durch den fehlenden Schulzwang und durch den er-
weiterten Lehrplan.
IV. Gymnasien sind in Darmstadt Bensheim, Gießen, Büdingen, Laubach,
Mainz, Worms, Realgymnasien)) in Darmstadt, Offenbach, Mainz, Realschulen in
Darmstadt, Groß-Umstadt, Michelstadt, Offenbach, Wimpfen, Gießen, Alsfeld, Friedberg,
Mainz, Worms, Alzey, Bingen, Oppenheim, höhere Töchterschulen in Darmstadt,
Offenbach, Gießen, Mainz, Worms vorhanden. Zum Theil sind diese Schulen übrigens
zu einer einzigen Anstalt unter einem Direktor verbunden, z. B. das Realgymnasium
und die Realschule zu Gießen. Die Gymnasien sind sämmtlich reine Staatsanstalten.
Die übrigen Schulen sind dagegen zum Theil Gemeindeanstalten; sie sind von den Ge-
meinden freiwillig errichtet; der Staat gewährt durchweg erhebliche Zuschüsse und hat
dem entsprechend auch auf die Verwaltung der Schulen entscheidenden Einfluß. Ausfsichts-
behörde ist die Ministerialabtheilung für Schulwesen 6).
V. Hochschulen. a) Die Landesuniversität zu Gießen ist reine Staatsanstalt.
1) Abweichend erklärte der Ausschuß der II. Kammer diese Pflicht der Eltern für eine bloß
moralische. 21. Landt., Beilage III, 224, S. 8.
S. 55 ". Ges. v. 10. Sept. 1878, Art. 9. Vgl. hiezu 21. Landt., II. Kammer, Prot. II, Nr. 37,
3) Volksschulgesetz 4. 4) Volksschulgesetz 18.
5) Bek. v. 15. Dez. 1884. Vorher hießen fie Realschulen I. Ordnung.
6) V. v. 3. Aug. 1874.