82. Rechtsstellung des Großherzogs. 7
kann sich der Staat der Zahlung keiner dieser Apanagen oder Aussteuern entziehen.
Aber das ist auch nicht der Streitpunkt. Streitig ist vielmehr nur, ob diese Apanagen
und Aussteuern nicht bereits in der als Pauschbetrag bewilligten Civilliste miteinbegriffen
sind, und ob dies der Fall, ist weniger eine Rechts-, als eine Thatfrage, deren Beant-
wortung auf eine Auslegung der bei Festsetzung der Civilliste zwischen Regierung und
Ständen getroffenen Abreden hinausläuft. Nun legt der Landtag diese Abreden dahin
aus, daß die Civilliste ein Pauschbetrag sei, der alle nicht ausdrücklich ausgenommenen
Bedürfnisse des großherzoglichen Hofhalts einschließe, und indem die Regierung die in
dieser Art vom Landtage bewilligte Civilliste vorbehaltlos annimmt, muß sie auch die
vom Landtage beliebte Auslegung als bindend anerkennen und kann nicht diese Civil-
liste annehmen und doch zugleich Nachforderungen auf besondere Zuschüsse erheben. Auch
wenn die Regierung sich schon bei Annahme der Civilliste irgendwelche Nachforderungen
ausdrücklich vorbehalten wollte, würde es ihr nichts helfen, da ja der Landtag seinerseits
sich gegen alle Nachforderungen verwahrt; ein solch einseitiger Vorbehalt würde viel-
mehr zur Folge haben, daß die zur Festsetzung der Civilliste erforderliche Willensüber-
einstimmung zwischen Regierung und Ständen fehlen, demgemäß also die Festsetzung der
Civilliste null und nichtig sein würde. Das kann aber die Regierung nicht gewollt
haben. So ist also das Ergebniß, daß die Regierung durch Annahme der Civilliste auf
weitere Nachforderungen, soweit sie nicht gemeinsam von Regierung und Ständen vor-
behalten sind, verzichtet.
Solche gemeinsame Vorbehalte sind nun aber thatsächlich gemacht. Zunächst für
die Kosten des Hofbauwesens und der Kabinetsdirektion. Ferner aber auch wenigstens
für einen Theil der soeben besprochenen prinzlichen Apanagen: nämlich für die Apa-
nagen der nachgeborenen Söhne eines Großherzogs, während auffallenderweise
eine Apanage für den erstgeborenen Sohn des Großherzogs, also gerade für den der-
einstigen Thronfolger, nicht vorbehalten 1) ist, und ebenso alle Aussteuern der Prinzes-
sinnen, und alle Witthümer u. s. f. unter die Civilliste fallen. Auch die Unterhaltung
des Hoftheaters fällt der Civilliste zur Last.
Die Höhe der Ciovilliste richtet sich, wie im Grunde selbstverständlich, nach dem
Bedürfniß des großherzoglichen Hofhalts. Dies ist nur um deßwillen besonders zu be-
tonen, weil zeitweise die Regierung die Behauptung aufgestellt hatte, die Civilliste sei
nur eine Art Aequivalent dafür, daß der Großherzog auf die Nutzung der dem groß-
herzoglichen Hause überwiesenen Domänen verzichtet habe, und müsse deßhalb grundsätzlich
den Reineinkünften dieser Domänen entsprechen2). Diese Behauptung der Regierung ist
unhaltbar. Wie oben gezeigt, war die Ueberlassung der Domänennutzung an den Staat
durchaus kein „großmüthiges Geschenk“ des Landesherrn, sondern es war einfach die
Form, in welcher der Großherzog sich mit dem Staate wegen der beiderseitigen Rechts-
ansprüche auf die Domänen auseinandersetzte. Die Civilliste, welche der Staat dem
Großherzoge als Gegengabe zusagte, ist also keineswegs ein Aequivalent für die vollen
aus den Domänen zu ziehenden Erträge, sondern nur für einen Antheil an diesen Er-
trägen, für denjenigen Antheil nämlich, der dem großherzoglichen Hofhalte gebührte; und
wie oben gezeigt, war dieser Antheil nach den Bedürfnissen des großherzoglichen Hof-
halts zu bestimmen. So ist also nicht die Höhe des Domänenertrages, sondern die
Höhe des Hofhaltungsbedarfs für die Bestimmung der Civilliste entscheidend. Der gegen-
theilige Satz würde auch den Interessen des Großherzogs wenig entsprechen; denn
1) Sie ist aber bisher immer freiwillig von den Ständen bewilligt.
2) II. Kammer, 22. Landt. Protokolle, Bd. 6, Nr. 71, S. 6, Nr. 72, S. 21.