Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

886 u. 7. Die Staatsangehörigen. Besondere Klassen derselben. 15 
II. Kapitel. 
Staatsangehörige und Staatsgebiet. 
§ 6. a. Die Staatsangehörigen. 1. Die Staatsangehörigkeit wird nach den 
Regeln des Reichsrechts erworben. Zuständig für Aufnahme und Entlassung ist das 
Kreisamt, für Naturalisation und Entziehung der Staatsangehörigkeit das Ministerium 
des Innern und der Justiz. Vor der Aufnahme und Naturalisation ist der Bürger- 
meister des Niederlassungsorts zu hören. 
Eine engere Gruppe der Staatsangehörigen sind die Staatsbürger (Verf. 14): 
sie umfaßt nämlich nur solche Hessen, die männlichen Geschlechts und volljährig sind, drei 
Jahre lang in Hessen wohnen und keinem fremden Staate unterthan sind; letztere Be- 
schränkung gilt für die hessischen Standesherren nicht; sie bezieht sich aber auch bei anderen 
Personen nur auf die Unterthänigkeit in einem außerdeutschen Staat; Hessen, die z. B. 
zugleich bayrische Unthanen sind, können also hessische Staatsbürger sein; dies ergibt 
sich aus Art. 3 der Reichsverfassung. 
2. a) Die hessische Staatszugehörigkeit ist die Voraussetzung für eine 
Reihe politischer Rechte und Pflichten; so für das Wahlrecht zur hessischen Stände- 
versammlung und für den Erwerb des Ortsbürgerrechts, für die Pflicht, Vormund zu 
werden u. f. f. 
Dagegen genügt in vielen anderen Beziehungen die Zugehörigkeit zum Deutschen 
Reich, sodaß insoweit z. B. ein in Hessen wohnhafter Sachse den hessischen Staats- 
angehörigen gleichsteht. So selbstverständlich bezüglich der Rechte und Pflichten gegenüber 
dem Reiche, z. B. des Wahlrechts zum Reichstage. Ferner bezüglich der Wirkungen, 
welche Reichs-Verfassung Art. 3 mit dem „für ganz Deutschland bestehenden gemeinsamen 
Indigenat“ verbunden hat, z. B. bezüglich des Rechts, in Hessen zu wohnen, Gewerbe 
zu betreiben, Grundstücke zu erwerben, öffentliche Aemter zu erlangen; einige andere 
Reichsgesetze haben die Gleichstellung der Angehörigen der verschiedenen deutschen Staaten 
noch weiter erstreckt, z. B. auf das Recht und die Pflicht, Schöffe, Geschworener zu 
werden. Endlich hat aber auch Hessen selbst aus freien Stücken einzelne der Schranken 
durchbrochen, welche die Hessen von den übrigen Reichsangehörigen bisher geschieden: so 
ist es, um in Hessen das Wahlrecht zur Stadtverordnetenversammlung, zum Kreistage 
und Kreisausschuß zu erlangen, nur nöthig, daß man Deutscher, nicht daß man Hesse ist. 
b) Das hessische Staatsbürgerrecht ist wichtig als Erforderniß der Wahl- 
berechtigung bei der Landtagswahl. Außerdem haben alle Staatsbürger, sobald sie selb- 
ständig werden, „Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der 
Staatsverfassung“ zu beschwören (Verf. Art. 108). 
§ 7. Forts. Besondere Klassen der Staatsangehörigen. I. Hessische Standes- 
herren sind die Häupter der Familien, die vor Auflösung des alten deutschen Reichs 
über ein jetzt zu Hessen gehöriges Gebiet Hoheitsrechte ausübten und als Inhaber dieser 
Hoheitsrechte einen Sitz im Reichstage hatten. Es sind nicht weniger als siebzehn: die 
Jürsten von Solms-Braunfels (wegen Hungen u. s. f.), Solms-Hohenholms-Lich, Isen- 
burg-Birstein (wegen Offenbach u. s. f.), Isenburg-Büdingen, Isenburg-Wächtersbach, 
Stollberg-Wernigerode (wegen Gedern), Löwenstein-Wertheim-Rochefort (wegen der Hälfte 
von Breuberg), Leinigen 1) (wegen Hesselbach u. s. f.) 1!) und die Grafen von Solms- 
1) Die standesherrlichen Rechte, die der Fürst von Leiningen über Hesselbach u. s. f. ausübt, 
find Zubehör von Gütern, die in Bayern liegen. Seine Standesherrlichkeit in Hessen beruht also 
merkwürdiger Weise garnicht auf hessischem Grundbesitz, sondern auf anderweiten Gerechtsamen, von 
denen nur ein kleiner Rest, z. B. das Patronat, noch fortbesteht.
	        
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