89. Zusammensetzung der ersten Ständekammer. 19
a) den größeren Theil des Fürstenthums Jsenburg (Büdingen, Wenings,
Offenbach)
b) das heutige Rheinhessen. Es war seit 1801 französisch. Vorher gehörte das Ge-
biet in vielen Splittern zu Kurmainz (Mainz, Castel, Bingen), zum Bisthum Worms, zu Kur-
pfalz (Alzey, Oppenheim), Leiningen-Guntersblum, der Rheingrafschaft Salm u. s. f.; dazu kam
die Reichsstadt Worms und verschiedene reichsritterliche Besitzungen z. B. die der Dalberg.
6. 1866 fiel Hessen-Homburg an Darmstadt zurück.
7. Durch den Krieg von 1866 verlor Hessen das althessische Hinterland (Bieden-
kopf) und die Herrschaft Itter (Vöhl), ferner das eben erst erworbene Homburg und
einige kleine Gebiete. Es erwarb dafür einige Theile von Kurhessen (Nauheim, Rumpen-
heim), zwei kleine Stücke von Nassau und Frankfurt.
III. Kapitel.
Ver TLandtag.
§ 9. a. Zusammensetzung der ersten Ständekammer. 1. Sie besteht!):
a) aus den Prinzen des großherzoglichen Hauses;
b) aus den hessischen Standesherren, sowie dem Senior der Familie von Riedesel);
c) aus dem katholischen Landesbischof, dem protestantischen Prälaten und dem
Kanzler der Landesuniversität; während der Erledigung des bischöflichen Sitzes, der
Prälaten= oder Kanzlerstelle ernennt der Großherzog einen anderen Geistlichen des
betreffenden Bekenntnisses, bezw. einen Professor der Landesuniversität zum Stellvertreter;
d) aus zwei Mitgliedern, welche der in Hessen genügend mit Grundeigenthum
angesessene Adel aus seiner Mitte auf je 6 Jahre wählt. Aktives und passives Wahl-
recht haben nur diejenigen adeligen Grundeigenthümer, welche mindestens den einem
Normalsteuerkapital von 2100 Mark für eigenthümliches oder nutznießliches Vermögen
entsprechenden Betrag an Grundsteuer seit Anfang des Wahljahrs jährlich entrichten ).
Die Wahl geschieht durch Stimmzettel, die jeder Wahlberechtigte unterschrieben und versiegelt
dem großherzoglichen Wahlkommissar einsendet. Relative Mehrheit genügt; bei Stimmengleichheit
entscheidet das Loos.
e) aus höchstens zwölf ausgezeichneten Staatsbürgern, die der Großherzog auf
Lebenszeit zu Mitgliedern beruft.
Die erste Kammer besteht also aus Vertretern des Adels“), der Geistlichkeit, der
Landesuniversität und aus landesherrlich ernannten Mitgliedern. Anders als in Preußen
und Sachsen fehlen Vertreter der Städte. Derjenige Theil des Grundadels, welcher
nicht die erbliche Mitgliedschaft besitzt, hat ein festes Wahlrecht, nicht wie in Preußen,
bloß ein unverbindliches Recht der Präsentation; der Großherzog hat also auf diese
Wahl keinen Einfluß. Vor allem ist aber der Einfluß des Großherzogs auf die Zu-
sammensetzung der ersten Kammer dadurch beschränkt, daß die Zahl der von ihm
ernannten Mitglieder höchstens 12 beträgt, daß er also nicht, wie in England, Preußen,
Oesterreich das Recht des unbeschränkten Pairschubes hat. Dagegen kann der Großherzog
eine ihm unbequeme Mehrheit der ersten Kammer unter Umständen dadurch beseitigen,
daß er die Durchzählung der Stimmen in beiden Kammern veranlaßt.
Im Wesentlichen ist diese Zusammensetzung die gleiche, wie sie durch die Verfassung Art. 22
vorgeschrieben war; nur war damals die Zahl der landesherrlich ernannten Mitglieder höchstens
1) Wahlgesetz vom 8. November 1872, Art. 2.
2) Siehe oben S. 172. 3) Ges. v. 6. Juni 1885.
4) Zur Zeit 2 Prinzen, 18 erblichen, 2 gewählten Mitgliedern. Der Adel hat also gegenüber
den 14 andern Mitgliedern die Mehrheit. 5) Siehe unten S. 29c.
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