26 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 3. Der Landtag. 8 13.
alsdann noch innerhalb der nämlichen Periode die Wiedereinberufung der Ständeversamm-
lung nöthig ), so geschieht dies durch Eröffnung eines neuen Landtags, freilich mit den
nämlichen Mitgliedern, die auch an dem vorausgehenden Landtage theilnahmen 2). Der
Landtagsschluß geschieht mündlich in gemeinsamer Sitzung beider Kammern durch den
Großherzog oder einen dazu bestellten großherzoglichen „Kommissär“, nachdem den Ständen
zuvor ein „Landtagsabschied“ mitgetheilt ist; letzterer stellt alle in dem Landtage ge-
faßten Beschlüsse der Stände und den Bescheid der Staatsregierung darauf zusammen
und wird demnächst im Regierungsblatt verkündet 30.
b) Ob eine Auflösung der Ständeversammlung erfolgt, hängt vom Ermessen
des Großherzogs ab. Sie geschieht schriftlich durch Veröffentlichung eines großherzog=
lichen Dekrets!). Sie ist vom Landtagsschluß dadurch verschieden, daß nicht bloß die
Hälfte der Mitglieder der zweiten Kammer, sondern alle gewählten Mitglieder beider
Kammern ihre Stellung verlieren und daß die Eröffnung des folgenden Landtags in
den ersten sechs Monaten der neuen Wahlperiode geschehen muß?).
4. Jeder Landtag zerfällt wieder in einzelne Sitzungen und Sitzungsperioden.
Doch bilden diese, selbst wenn sie durch monatlange Zwischenräume getrennt sind, recht-
lich eine Einheit; deßhalb bleibt das Büreau von Sitzungsperiode zu Sitzungsperiode
unverändert und die Berathungen werden in der neuen Sitzungsperiode an der Stelle
aufgenommen, wo sie in der alten Periode abgebrochen wurden; deßhalb behalten die
Ständemitglieder ihre Sonderrechte (ausgenommen das Recht auf Diäten) auch in der
Zwischenzeit zwischen zwei Sitzungsperioden?).
Die einzelnen Sitzungen werden vom Präsidenten anberaumt, eröffnet und
geschlossen. So kann denn auch eine längere Unterbrechung der Sitzungen auf un-
bestimmte Zeit vom Präsidenten angeordnet werden. Doch ist auch der Großherzog zu
einer derartigen Anordnung, welche alsdann die Bezeichnung „Bertagung“ führt,
befugt. Die Vertagung unterscheidet sich von der durch den Präsidenten angeordneten
Sitzungsunterbrechung dadurch, daß die Wiederaufnahme der Sitzungen bei ersterer nur
vom Großherzog, bei letzterer auch vom Präsidenten angeordnet werden kann; außerdem
unterbleiben während einer eigentlichen Vertagung nicht bloß die Plenarversammlungen,
sondern auch die Ausschußsitzungen, es sei denn, daß die Regierung deren Fortsetzung
verlangt?). Andererseits unterscheidet sich die Bertagung des Landtags von dem Land-
tagsschlusse und der Landtagsauflösung dadurch, daß, wie schon erwähnt, die nach der
Vertagung zusammentretenden Stände den alten Landtag fortsetzen, die nach Schluß oder
Auflösung zusammentretenden Stände dagegen einen neuen Landtag beginnen.
§ 13. e. Geschäftsführung der Ständeversammlung. 1. Der Geschäftsgang ist
durch die Verfassung und ein besonderes Gesetz, die landständische Geschäftsordnung be-
treffend, vom 17. Juni 1874 geregelt. Die hessische Ständeversammlung bestimmt also,
anders wie der Reichstag, die Geschäftsordnung nicht selber. Deßhalb darf sie auch von
ihrer Geschäftsordnung nicht abweichen, selbst wenn kein Mitglied widerspricht; eine
Präsidentenwahl durch „Akklamation“ ist also unzulässig 5.
1) Z. B. wegen des landwirthschaftlichen Nothstandes 1893.
2) In diesem Fall besteht auch in Hessen die „Legislaturperiode“" aus mehreren „Sessionen“.
3) Verf. 63, Geschäftsordn. 57. 4) Geschäftsordn. 58.
5) Verf. 64, 65. Wahlgesetz 48. *
6) Erkl. des Minister Finger (27. Landt., II. Kammer, Prot. 3, Nr. 33, S. 32), der freilich
die Abgeordnetenprivilegien ruhen läßt, wenn der Landtag vom Großherzog vertagt ist.
7) Verf. 63. Geschäftsordn. 31, 58. Ges. v. 14. Juni 1836, Art. 4, 5.
8) Die Praxis kehrt sich freilich an diese Regel nicht. Siehe z. B. Verhandl. der I. Kammer
des 26. Landtags, Prot. Nr. 1.