8 13. Geschäftsführung der Ständeversammlung. 27
2. An der Spitze jeder Kammer steht ein Büreau, zusammengesetzt aus dem ersten
und zweiten Präsidenten und zwei Sekretären. Jede Kammer wählt ihr Büreau frei. Nur
der erste Präsident der ersten Kammer wird — ebenso wie in Bayern, anders als in
Preußen — vom Großherzog ernannt. Wahl und Ernennung des Büreaus erfolgt auf
die Dauer des Landtags; nur die beiden Präsidenten der zweiten Kammer werden zu
Anfang einer Landtagsperiode das erste Mal bloß auf drei Monate — gleichsam auf
Probe — gewählt. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel nach absoluter Stimmenmehrheit.
Hat sich eine absolute Mehrheit nicht ergeben, so entscheidet bei einer weiteren Abstim—
mung relative Stimmenmehrheit. Nur bei den beiden Präsidenten der zweiten Kammer
wird (ähnlich dem Reichstage) an der absoluten Stimmenmehrheit festgehalten, indem die
zweite Abstimmung eine Stichwahl zwischen den fünf höchstbestimmten Kandidaten ist,
und falls auch hier eine absolute Mehrheit nicht zu erzielen ist, eine zweite Stichwahl
zwischen den zwei höchstbestimmten Kandidaten erfolgt. Bei Stimmengleichheit ent-
scheidet das Loos 7.
Der erste Präsident jeder Kammer hat „zur Leitung der Geschäfte die Rechte und
Pflichten der Kollegialvorstände“; so bestimmt, eröffnet und schließt er die Sitzungen,
ertheilt das Wort u. s. w.; er beschließt innerhalb des Etats der Kammer über deren
Ausgaben. Der zweite Präsident vertritt den ersten Präsidenten im Behinderungsfall.
Den Sekretären liegt „die Leitung der Gesammtgeschäfte der Kanzlei“ ob, z. B. ver-
merken sie die Abstimmungen und beglaubigen die Stenogramme ?.
3. Die zweite Kammer entscheidet nach Prüfung und Berichterstattung durch einen
Ausschuß über die Gültigkeit der Abgeordnetenwahlen und der ihnen zu Grunde liegenden
Urwahlen. Dabei sind alle Anfechtungen einer Wahl zu berücksichtigen, die 14 Tage
nach Eröffnung der Kammer oder doch vor der Beschlußfassung über die Gültigkeit der
Wahl bei der Kammer eingehen 3); außerdem hat die Kammer, auch wenn eine Anfech-
tung nicht erhoben ist, alle Bedenken, die etwa gegen die Gültigkeit einer Wahl auf-
tauchen, von Amtswegen zu untersuchen "). Die Prüfung ist nicht auf das von den
Wahlkommissären verkündete Wahlergebniß beschränkt, sodaß die Kammer lediglich dies
Ergebniß für gültig oder ungültig erklären könnte; sondern die Kammer kann auch
positiv einen andern Abgeordneten als den vom Wahlkommissär bezeichneten für gewählt
erklären; denn die Kammer hat über die Gültigkeit der Wahlen zu entscheiden, wies sie
wirklich stattgefunden haben, und nicht wie sie von der Wahlbehörde dargestellt werden ?).
Bis zur Ungültigkeitserklärung hat indeß derjenige, der vom Wahlkommissär für gewählt
erklärt ist, Sitz und Stimme in der Kammer und kann nur an der Abstimmung über
die Gültigkeit der eigenen Wahl nicht theilnehmen 5.
Die gleichen Regeln werden entsprechend auf die Prüfung der Wahlen zur ersten
Kammer anzuwenden sein.
4. Die Rechtsstellung der Ständeversammlung folgt den allgemeinen Regeln des
deutschen konstitutionellen Staatsrechts. Die Versammlung wirkt namentlich bei der Ge-
setzzebung und Verwaltung mit. Außerdem kann jedes einzelne Mitglied die Regierung
über alle Gegenstände der Staatsverwaltung um Auskunft fragen (interpellieren); ebenso
kann jede Kammer über alle beliebigen Gegenstände Beschwerden an die Staatsregierung
1) Geschäftsordn. 2, 4, 9, 10, 14. 2) Geschäftsordn. 15—17, 44.
3) Geschäftsordn. 7.
4) Ein Beschluß der Kammer ist also (abweichend von der Geschäftsordn. des Reichstages)
auch dann erforderlich, wenn der Wahlprüfungs-Ausschuß die Wahl nicht beanstandet hat. 21. Landt.
II. Kammer, Prot. I, 8, S. 7 ff.
5) Abw. Laband, Staatsrecht d. D. Reichs, 2. Aufl. (1888), Bd. 1, S. 314.
6) Geschäftsordn. 7, 8.