Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

34 Zweiter Abschnitt: Staat u. Staatsverfassung. Die Behörden u. ihr Verfahren. 816. 
anwälte werden vom Ministerium auf Widerruf — regelmäßig aus der Zahl der Gerichts- 
Assessoren — ernannt; aushülfsweise müssen die Bürgermeister oder Ortspolizeibeamten 
sich als Amtsanwälte verwenden lassen. 
VII. Rechtsanwälte werden vom Ministerium zugelassen. Die beim Land- 
gericht zu Mainz zugelassenen Anwälte dürfen in den daselbst verhandelten Sachen auch 
vor dem Oberlandesgericht zu Darmstadt auftreten ?. 
VIII. Als Vergleichsbehörde in Strafsachen wirken der Bürgermeister 
und die Beigeordneten?). 
IX. Die Gerichtskosten werden vom Gerichtsschreiber berechnet. Die Erhebung 
findet in kleineren Beträgen gleichfalls durch den Gerichtsschreiber, sonst durch die Rent- 
ämter oder Distriktseinnehmer statt 5). 
§ 16. C. Behörden der allgemeinen Landesverwaltung. Grundlegendes Gesetz 
ist die Kreisordnung (mit dem genauen Titel: Gesetz betr. die innere Verwaltung und 
Vertretung der Kreise und Provinzen) vom 12. Juni 1874, — ein Gesetz, welches 
zum großen Theil der preußischen Kreisordnung nachgebildet ist, aber doch in sehr 
wesentlichen Punkten von seinem Vorbilde abweicht. 
Die Organisation der hessischen Bezirks= und Ortsbehörden beruht auf der Ein- 
theilung des Landes in die drei Provinzen: Starkenburg (Hauptstadt Darmstadt), 
Oberhessen (Hauptstadt Gießen), Rheinhessen (Haupstadt Mainz), ferner auf der Eintheilung 
der Provinzen in Kreise und der Kreise in Ortsgemeinden und selbständige Ge- 
markungen. 
Die Abgrenzung der Provinzen und Kreise ist durch landesherrliche Verordnung"), 
die der Gemeinden und Gemarkungen durch Herkommen bestimmt. Eine Aenderung der 
Kreis= und Provinzialgrenzen kann nur durch Gesetz erfolgen, während bei Gemeinden 
und Gemarkungen eine Grenzänderung auf Grund übereinstimmenden Beschlusses der 
betheiligten Gemeindevorstände und Gemarkungsinhaber durch landesherrliche Verordnung 
geschehen kann ). 
Im Vergleich mit der preußischen Landeseintheilung erscheint die hessische viel ein- 
facher. Es fehlt sowohl ein Mittelglied zwischen Provinz und Kreis, welches dem preußi- 
schen Regierungsbezirk, als auch ein Mittelglied zwischen Kreis und Landgemeinde, welches 
dem preußischen Amtsbezirk entsprechen würde. Endlich fehlen die preußischen Stadtkreise. 
Demgemäß sind zu unterscheiden Ortsgemeindebehörden, Kreisbehörden, Provinzial- 
behörden. Besondere Gemarkungsbehörden — etwa eine dem preußischen Guts- 
vorsteher entsprechende Behörde — giebt es dagegen in Hessen nicht. Vielmehr wird 
in Sachen der Landesverwaltung die Gemarkung entweder unmittelbar dem Kreisamt 
unterstellt oder einer benachbarten Bürgermeisterei angeschlossen. 
1. Ortsgemeindebehörden sind der Bürgermeister und die Gemeindevertretung, 
in manchen Gemeinden auch ein staatliches Polizeiamt. Von diesen soll erst später bei 
Darstellung des Gemeinderechts näher die Rede sein. 
2. Kreisbehörden. 
a) Das Kreisamt. Vorsteher ist der Kreisrath's). Er ist höherer Staats- 
beamter und muß — anders wie der preußische Landrath — den gewöhnlichen Vorbereitungs- 
dienst aller höheren Verwaltungsbeamten durchgemacht haben. Er wird vom Großberzog 
1) Bek. v. 20. Juni 1879. 
2) Ges. vom 9. Juni 1879, Art. 4. V. v. 16. Sept. 1879. 
3) V. v. 11. Sept. u. Bek. v. 22. Sept. 1879, V. v. 31. Mai 1880. 
4) V. v. 12. Mai 1852, 11. Juni 1874. 
-¾v K. 3, 4, St O. 5, L. 3, 4. 
6) Instr. v. 20. Sept. 1832.
	        
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