Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

36 Zweiter Abschnitt: Staat u. Staatsverfassung. 4. Die Behörden u. ihr Verfahren. § 16. 
der gewählten Mitglieder werden nicht gewählt. Die Wahl geschieht durch den Kreis- 
tag. Wählbar ist, wer zum Kreistage wählbar ist; drei Mitglieder müssen zugleich 
Mitglieder des Kreistages sein; Geistliche, Kirchendiener, Elementarlehrer sind aus- 
geschlossen. Die Wahl geschieht auf 6 Jahre: alle 3 Jahre scheidet die Hälfte der Mit- 
glieder aus (Art. 45, 46). Die gewählten Kreisausschußmitglieder bedürfen keiner Be- 
stätigung seitens der Regierung und sind nur im Disziplinarverfahren ) absetzbar. — Sie 
erhalten keine Besoldung, wohl aber Diäten in Höhe ihrer baren Auslagen (Art. 72). 
Der Kreisausschuß wird vom Kreisrath einberufen und geleitet. Er faßt seine 
Beschlüsse mit Stimmenmehrheit, ist also, wie der Kreistag, ein Kollegium; er ist bei 
Anwesenheit des Vorsitzenden und 4 gewählter Mitglieder beschlußfähig. Seine Sitzungen 
sind, sofern er als Verwaltungsbehörde und nicht als Verwaltungsgericht thätig ist, nicht 
öffentlich (Art. 51, 53, 55, 64). 
Der Kreisrath ist befugt im Namen des Kreisausschusses bei Dringlichkeit eines 
Falles vorläufige Anordnungen zu treffen; der Kreisausschuß hat sich alsbald über deren 
Genehmigung schlüssig zu machen (Art. 52). 
3. Provinzialbehörden. 
a) Die Provinzialdirektion hat zum Vorsteher den Provinzial- 
direktor?); die übrigen Mitglieder (ein oder zwei Regierungsräthe) sind ihm als 
Gehülfen oder Stellvertreter beigegeben, also ohne beschließende Stimme. Die Amts- 
stellung dieser Beamten ist die gleiche wie die des Kreisamts. Zum Provinzialdirektor. 
wird kein eigener Beamter, sondern der Kreisrath desjenigen Kreises ernannt, in welchem 
die Provinzialhaupstadt liegt. Da die Geschäfte des Kreisraths weit umfassender sind, 
als die des Provinzialdirektors, kann man sagen, daß der Provinzialdirektor in erster 
Reihe Kreisrath seines Kreises, erst in zweiter Reihe Direktor seiner Provinz ist. Dies 
gilt aber nur für die Landes- und Kommunalverwaltung. Bei der Verwaltungsgerichts- 
barkeit ist das Verhältniß gerade umgekehrt; denn da gegen die verwaltungsgerichtlichen 
Erkenntnisse des Kreisausschusses regelmäßig der Rekurs an den Provinzialausschuß geht, 
und der Kreisrath-Provinzialdirektor natürlich nicht in beiden Instanzen den Vorsitz 
führen kann, so wird er den Vorsitz im Kreisausschuß für alle rekursfähigen Sachen 
ein für alle Mal seinem Regierungsrath überlassen, und somit thatsächlich in Verwaltungs- 
streitsachen nur als Vorsitzender des Provinzialausschusses thätig werden. 
b) Der Provinzialtag besteht aus Mitgliedern, welche die Kreistage der 
Provinz, und zwar je einen auf 10 000 Einwohner, wählen. Im Uebrigen gelten die 
Regeln vom Kreistage entsprechend. 
c) Der Provinzialausschuß besteht aus dem Provinzialdirektor als Vor- 
sitzendem und 8 Mitgliedern, welche der Provinzialtag wählt; die Regierung kann noch 
ein zehntes Mitglied, welches die Prüfung zum Richteramt bestanden haben muß, ernen- 
nen; für die gewählten Mitglieder sind 4 Stellvertreter zu wählen. Im Uebrigen gelten 
die Regeln vom Kreisausschuß enisprechend. 
4. Aus der soeben gegebenen Uebersicht — in Verbindung mit den Regeln, die 
weiter unten im Gemeinderecht über die Behörden der Ortsgemeinde zu entwickeln sein 
werden — folgt, daß in Hessen nicht blos die Gemeinde-, sondern auch die Landes- 
verwaltung zum guten Theil Selbstverwaltung ist. Denn von den Behörden 
der Landesverwaltung sind nur die Mitglieder des Kreisamts und der Provinzialdirektion 
(und des etwaigen staatlichen Polizeiamts) landesherrlich angestellte Beamte; hingegen 
die Bürgermeister, die Mitglieder des Kreis= und Provinzialausschusses, des Kreis= und 
—. 
1) Siehe darüber S. 49. 2) Edikt v. 12. Nov. 1860.
	        
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