Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

§ 16. Behörden der allgemeinen Landesverwaltung. 37 
Provinzialtags und der Ortsgemeindevertretung werden durch Wahlen der Bevölkerung 
bestellt und versehen außerdem, mit Ausnahme des städtischen Bürgermeisters, ihr Amt 
als Ehrenamt, — d. h. unentgeltlich und im Nebenberuf. 
5. Die Vertheilung der Geschäfte zwischen den einzelnen Verwaltungsorganen ist 
durch eine Fülle von Regeln bestimmt. Hier ist nur eine gedrängte Uebersicht möglich. 
a) Der Schwerpunkt der Landesverwaltung liegt bei den Kreisämtern. 
b) Den Kreisämtern zur Seite stehen die Kreisausschüsse: eine ganze Reihe von 
Verwaltungsgeschäften, und zwar gerade besonders wichtige und verantwortliche Geschäfte, 
z. B. die Staatsaufsicht über die Ortsgemeinde, ist den Kreisräthen nur zusammen mit 
den Kreisausschüssen oder den Kreisausschüssen allein übertragen. 
) Eine Reihe anderer Verwaltungsgeschäfte sind den Bürgermeistern übertragen, 
insbesondere die Ortspolizei, die standesamtlichen Geschäfte u. s. f. Dabei wird wieder 
zwischen Stadt= und Landgemeinden unterschieden: der städtische Bürgermeister hat einen 
weit größeren Wirkungskreis wie der ländliche. Andererseits sind in den Orten, wo 
ein staatliches Polizeiamt eingerichtet ist, die Geschäfte der Ortspolizei dem Bürgermeister 
ganz entzogen. 
d) Im Vergleich mit Kreisamt, Kreisausschuß und Bürgermeister (Polizeiamt) 
haben die andern Behörden für die Landesverwaltung nur eine untergeordnete Bedeutung. 
Dies gilt namentlich für Kreistag, Provinzialtag und Ortsgemeindevertretung; so wichtig 
diese Organe für die Kommunalverwaltung sind, in Sachen der Landesverwaltung müssen 
sie dem Kreisamt, Kreisausschuß und Bürgermeister das Feld räumen. Nur für gewisse 
Wahlen, Aufstellung von Ortsstatuten, Ertheilung von Gutachten u. dgl. kommen sie 
für die Landesverwaltung in Betracht. Aehnliches gilt für den Provinzialausschuß: er 
ist — von Kommunalangelegenheiten abgesehen — als Verwaltungsgericht von aller- 
größter Wichtigkeit, aber nicht als Administrativbehörde. Schließlich ist auch der Provinzial- 
direktor an der Landesverwaltung wenig betheiligt; namentlich ist keine Rede davon, 
daß er nach Art der preußischen Regierungs= oder Oberpräsidenten Vorgesetzter der Kreis- 
ämter wäre; vielmehr stehen die Kreisämter unmittelbar unter dem Ministerium; wenn 
ausnahmsweise gegen Verfügungen des Kreisraths der Rekurs an ein Provinzialorgan 
zugelassen ist, so geht er an den Provinzialausschuß, nicht an den Provinzialdirektor, 
und auch der Provinzialausschuß wirkt dabei regelmäßig als Verwaltungs gericht; nur 
bei Zwangsmaßregeln, die ein Kreisamt angeordnet hat, kann der Provinzialdirektor, 
falls der Rekurs beim Provinzialausschuß eingelegt ist, die Ausführung ein stweilen 
untersagen ?). 
Nur wenige Verwaltungsgeschäfte sind dem Provinzialdirektor als solchem über- 
tragen?), nämlich die Aufsicht über die milden Stiftungen der Provinz, die Dislokation 
der Gendarmen, die Anordnung gesundheitspolizeilicher Maßregeln, die über den Bereich 
eines Kreises hinausgehen u. s. f. 
6. Die hessische Behördenorganisation hat oft gewechselt. Zu Anfang der konstitutionellen 
Zeit lag der Schwerpunkt der Landesverwaltung bei den „Regierungen“ der drei Provinzen, die 
zum Theil kollegial, zum Theil büreaukratisch wirksam wurden; lediglich als Unterbehörden dieser 
Regierungen wirkten die „Landräthe“, je einer für einen ziemlich kleinen Landrathsbezirk ?). Eine 
wesentliche Aenderung trat durch Edikt v. 6. Juni 1832 (in Rheinhessen Edikt v. 4. Febr. 1835) 
ein. Die Landrathsbezirke wurden durch größere Sprengel, Kreise genannt, ersetzt; der Vor- 
1) KO. 80. 2) Edikt v. 12. Nov. 1860. Z 
3) Parallel ging die Organisation der Justizbehörden. Der Regierung entsprach das Hof- 
gericht (Sprengel —= Provinz), dem Landrath der Landrichter (Sprengel — Landrathsbezirk). 
Diese Parallele besteht noch jetzt insoweit, als heute Provinzialdirektion und Landgericht den näm- 
lichen Sprengel haben, während Kreis und Amtsgerichtsbezirk sich jetzt nicht mehr entsprechen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.