42 Zweiter Abschnitt: Staat u. Staatsverfassung. 4. Die Behörden u. ihr Verfahren. § 17.
des geltenden Rechts, der Gesetze oder Verordnungen verletzt oder unrichtig angewendet
worden seien“, oder ob die Vorinstanzen ihre Zuständigkeit überschritten haben!).
7. Die baaren Auslagen des Verfahrens, die Gebühren für Zeugen, Bevollmäch-
tigte u. s. f., sowie die baaren Auslagen des obsiegenden Theils sind von dem unter-
liegenden Theil zu erstatten. Hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, so muß
außerdem der unterliegende Theil einen Aversionalbetrag bis zu 60 Mk. zahlen. Ist
der unterliegende Theil eine Behörde, so bleiben die Kosten mit Ausnahme der baaren
Auslagen außer Ansatz. Auch sonst kann „aus sachlichen Gründen“ oder wegen Armuth
der Partei Kostenfreiheit bewilligt werden.
II. Gemischtes Verwaltungsstreitverfahren. 1. Für dieses ist charakte-
ristisch, daß das Verwaltungsstreitverfahren auf eine oder zwei Instanzen beschränkt ist,
während die übrigen Instanzen das formlose Beschlußverfahren einhalten; und zwar ist
merkwürdigerweise die Formlosigkeit bald für die erste, bald für die letzte Instanz, bald
für die erste und letzte anerkannt, sodaß sich, zumal die Instanzenzahl bald zwei, bald
drei beträgt, eine ganze Reihe von Kombinationen des Verfahrens ergeben. Ein zweites
Charakteristikum ist, daß zwar in den Vorinstanzen die nämlichen Behörden entscheiden,
wie im reinen Verwaltungsstreitverfahren, nämlich die Kreis= und Provinzialausschüsse,
daß dagegen in letzter Instanz die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausge-
schlossen") ist. Es hört nämlich der Instanzenzug entweder beim Provinzialausschuß
auf, sodaß dieser endgültig entscheidet, oder als letzte Instanz tritt eine Behörde ein,
welche mit dem reinen Verwaltungsstreitverfahren überhaupt nichts zu thun hat und
auch in seiner hier zu besprechenden Thätigkeit nicht im Verwaltungsstreit-, sondern im
Beschlußverfahren entscheidet: das Ministerium des Innern und der Justiz. Und
zwar entscheidet dieses Ministerium kollegialischs) mit Stimmenmehrheit, — während
es bei seiner sonstigen Verwaltungsthätigkeit büreaukratisch arbeitet —, woraus zu folgern,
daß seine Entscheidung sachlich unabhängig von Befehlen des Großherzogs oder des
Ministerialvorstandes ist. Ist in dieser Beziehung das Ministerium den wirklichen Ver-
waltungsgerichten gleichgestellt, so fehlt dagegen seinen Mitgliedern die persönliche Unab-
hängigkeit ganz: sie sind sämmtlich frei absetzbare Verwaltungsbeamte.
2. Dem gemischten Verwaltungsstreitverfahren wohnen hiernach die Garantieen
des reinen Verwaltungsstreitverfahrens nur zum Theil bei. Die Garantieen, die in den
Formen des Verwaltungsstreitverfahrens liegen, werden nur in einzelnen Instanzen
gewährt, und die Garantieen, die in der persönlichen Unabhängigkeit der entschei-
denden Behörden liegen, werden in der Ministerialinstanz preisgegeben. Der Gesetz-
geber war offenbar der Meinung, daß den Sachen, welche dem gemischten Verfahren
überwiesen sind, eine Mittelstellung zwischen reinen Verwaltungsstreitsachen und reinen
Beschlußsachen gebühre. Also einerseits: mindestens in einer Instanz sollen sie eine
mündliche öffentliche Verhandlung vor einer unabhängigen Behörde erfahren. Anderer-
seits: eine Durchführung der kostspieligen, zeitraubenden Mündlichkeit und der oft Un-
frieden stiftenden Oeffentlichkeit durch alle Instanzen verdienen sie nicht; und in letzter
Instanz kann weniger darauf gesehen werden, daß die entscheidende Behörde unabhängig,
als daß sie sachverständig und mit voller Einsicht in das öffentliche Interesse versehen
60 14) Letzterer Rekursgrund muß aber bereits in der Vorinstanz geltend gemacht worden sein
" 2) Doch gibt es auch hier Ausnahmefälle, in denen der Verwaltungsgerichtshof als 3. Instanz,
zuständig ist, z. B., KO. 4 „6.
3) Dies beruht uf“ 5 Beschluß der II. Kammer, 21. Landt., Prot. I, 15, S. 26.