44 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 5. Der Staatsdienst. § 19.
gelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit — den „Konflikt“, d. h. bestreitet sie die
Zulässigkeit des Rechtswegs und nimmt die Zuständigkeit für sich in Anspruch, so kann
sie sofortige Einstellung des gerichtlichen Verfahrens — ausgenommen die Anordnung
nothwendiger einstweiliger Verfügungen — fordern, sofern das Gericht nicht seine Zu-
ständigkeit bereits rechtskräftig festgestellt hat1). Die Akten sind alsdann den betheiligten
obersten Verwaltungsbehörden zur Erklärung darüber vorzulegen, ob sie sich der Kon-
flikts= Erhebung anschließt. Ist dies der Fall, so wird der Streit dem Verwaltungs-
gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet. Dieser trifft nach öffentlicher mündlicher Ver-
handlung, in welcher die Parteien, ein Vertreter der obersten Verwaltungsbehörde, welche
den Konflikt erhoben hat, sowie ein Vertreter der Ministerialsektion für Justiz erscheinen
können, die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechiswegs. Die Ent-
scheidung ist auch für die Gerichte, einschließlich des Reichsgerichts, verbindlich:), auch
wenn sie nicht bloß auf hessisches Landesrecht, sondern auch auf Reichsgesetze ge-
gründet wird.
2. Das gleiche Verfahren tritt ein, wenn nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern
ein Verwaltungsgericht den Konflikt gegen das gerichtliche Verfahren erhebt.
3. Dagegen kann umgekehrt das Gericht oder die Justizverwaltung den Konflikt
gegen ein Verfahren, das vor Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten schwebt,
nicht erheben; ebensowenig die Verwaltungsbehörde oder das Verwaltungsgericht gegen
einander. Hier entscheidet vielmehr die zunächst angerufene Behörde über ihre Zustän-
digkeit selber. War dies ein Verwaltungsgericht, so unterliegt die Zuständigkeitsfrage
wenigstens nachträglich im Rekurswege der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs.
War die zunächst angerufene Behörde dagegen eine Verwaltungsbehörde, so kann der
Verwaltungsgerichtshof auch nicht nachträglich einschreiten.
4. Jede Behörde kann sich auch ohne Konflikt selber für unzuständig erklären.
Thun dies sämmtliche Behörden — Gericht, Verwaltungsgericht und Verwaltungsbehörde
— so liegt ein „negativer Kompetenzkonflikt“" vor. Alsdann kann jede Partei die Ent-
scheidung des Verwaltungsgerichtshofs herbeiführen. Dieser ist alsdann in der Lage,
selbst die rechtskräftige gerichtliche Unzuständigkeitserklärung umzustoßen.
V. Kapitel.
Der Staatsdienst.
§ 19. a. Begriff und Arten. Staatsdiener sind solche Personen, die kraft öffent-
lichen Rechts in einem unmittelbaren Dienstverhältniß zum Staate stehen. Nicht her-
gehörig sind z. B. Vormünder, Geschworene, Anwälte, weil ihr Verhältniß zum Staat kein
Dienstverhältniß ist; ebensowenig Gemeindebeamte, Geistliche, Volksschullehrer, weil ihre
Dienste nicht dem Staate unmittelbar gelten.
Sie sind regelmäßig Berufsbeamte. Doch gibt es auch Personen, die den Staats-
dienst nur nebenbei, also nicht eigentlich als ihren Beruf, versehen, z. B. Handelsrichter.
Alle höheren Aemter werden regelmäßig mit fest an gestellten Beamten besetzt.
Dagegen werden für Aemter von minderer Bedeutung die Beamten meist nur auf
Widerruf bestellt. Die Grenze zwischen beiden Aemter-Arten ist zum Theil gesetzlich
bestimmt; namentlich enthalten die Etatsgesetze häufig bindende Regeln hierüber. Eine
dritte Art von Beamten wird endlich garnicht angestellt, sondern nur im Staatsdienst
„beschäftigt“; deren Stellung ist noch unsicherer als die der widerruflich angestellten
1) Entsch. des Reichsgerichts in Civilsachen, Bd. 25, S. 413.
2) Abw. Wach, Handb. d. Civilprozesses 1, S. 102.