8 26. Ministerverantwortlichkeit. Rechte der Staatsbeamten. 51
wegen kriminell strafbarer Handlungen, sondern auch wegen schwerer Disziplinarvergehen,
nämlich stets, wenn ein Beamter wegen Pflichtverletzung abgesetzt werden sollte ). End-
lich hätten die Minister doch nicht wegen jeder „gesetzwidrigen“ Handlung kriminell
bestraft werden können. Die Gesetze bezwecken also offenbar nicht bloß ein kriminelles,
sondern auch ein disziplinares Vorgehen.
Was nun den ersteren Zweck betrifft, so sind die hessischen Gesetze aufgehoben,
soweit sie von der Reichs-Strafprozeßordnung abweichen.
Aufgehoben ist namentlich das Recht des Großherzogs, die Minister in Anklage-
stand zu versetzen, und die Zuständigkeit des höchsten hessischen Gerichtshofs als Straf-
gericht. Dagegen dauert das Recht der Kammern, durch übereinstimmenden Beschluß vom
Großherzog die Strafverfolgung gegen Minister zu verlangen, fort, weil dieses Recht
in keiner Weise der Strafprozeßordnung widerspricht. Die Kammern können demgemäß
fordern, daß der Großherzog — natürlich unter Zuziehung eines nöthigenfalls neu zu
ernennenden Ministers — dem zuständigen Staatsanwalt die Erhebung der Anklage
befiehlt. Dagegen dürfen sich die Kammern nicht ) etwa unmittelbar an den Staatsanwalt
oder beschwerdeführend an das Oberlandesgericht wenden.
Das Disziplinarverfahren ist durch kein neueres Gesetz beseitigt,
dauert also fort. Nur tritt an Stelle des Oberappellationsgerichts das Oberlandes-
gericht 5).
2. Gegen Mitglieder der Oberrechnungskammer können die Kammern Einleitung
des Disziplinarverfahrens fordern, wenn jene die Pflichten verletzen, die ihnen bei Er-
stattung ihres Rechenschaftsberichtes an den Landtag obliegt"!). Das weitere Verfahren
ist das gewöhnliche.
§ 26. e. Rechte der Staatsbeamten. Diese Rechte sind, wenn man von den
Ehrenrechten (Rang, Titel u. dgl.) und von dem besonderen strafrechtlichen Schutz absieht,
vermögensrechtlicher Art.
1. Mit den meisten Aemtern ist ein Gehalt verbunden. Er besteht in baarem
Gelde und wird monatlich im Voraus bezahlt. Der Hauptvoranschlag stellt für die
Höhe der Gehälter auf die Dauer je einer Finanzperiode feste Regeln auf. Meist so,
daß die Gesammthöhe aller Gehälter, welche eine gewisse Gruppe von Beamten bezieht,
und außerdem das geringste und das höchste Gehalt, welches dem einzelnen Beamten
der Gruppe bewilligt werden darf, festgestellt wird; innerhalb dieser dreifachen Schranken
kann die Regierung die Höhe des dem einzelnen Beamten zukommenden Gehalts frei be-
messen. Bei gewissen Beamten fehlt die Feststellung eines Mindestgehalts; hier hat die
Regierung noch freiere Hand. Bei den Richtern ist umgekehrt das Ermessen der Regie-
rung ganz beseitigt; denn für sie ist ein festes Anfangsgehalt und ein Aufrücken in höhere
Gehaltsstufen gesetzlich bestimmt, und sie haben ein Recht auf deren Einhaltung?). —
Während einer Mobilmachung wird den eingezogenen Beamten das Gehalt fortgezahlt;
doch wird /10 des Offiziersgehalts darauf angerechnet"). Auch während des Urlaubs
dauert die Gehaltszahlung fort, es sei denn, daß bei Ertheilung des Urlaubs das Gegen-
theil bedungen wäre. Ein Theil des Gehalts kann bei der Verleihung als Repräsen-
tationsgehalt bezeichnet werden; wenn nichts anderes gesagt ist, gilt der Ueberschuß des
Gehalts über 6800 Mark, und in jedem Falle der Ueberschuß über 10,000 Mark als
1) Ges. v. 12. April 1820, Art. 22, v. 9. März 1824, Art. 2.
2) Verf. Art. 96. 3) Ges. v. 3. Sept. 1878, Art. 6.
4) Ges. v. 14. Juni 1879, Art. 21.
5) Ges. v. 3. Sept. 1878, Art. 4, 5, in Verbindung mit dem jedesmaligen Etatsgesetz.
6) V. v. 24. Jan. 1890, gilt auch für Gemeindebeamte.
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