54 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 5. Der Staatsdienst. 88 29 u. 30.
Beamte, die nicht angestellt, sondern nur im Staatsdienst „beschäftigt“ sind,
erhalten niemals ein wirkliches Ruhegehalt, sondern höchstens eine Unterstützung im
Gnadenwege.
§ 29. h. Rechte der Hinterbliebenen eines Beamten. Die folgenden Regeln gelten
für die Hinterbliebenen aller Beamten, auch der widerruflich angestellten; während also
letztere selber kein Recht auf Pension haben, steht ihren Wittwen ein solches Recht zu.
1. Hinterläßt ein Beamter eine Wittwe oder eheliche Nachkommen, welche mit ihm
in häuslicher Gemeinschaft lebten, so wird diesen der Gehalt oder die Pension des Ver-
storbenen noch für drei Monate vom Sterbetage an ausbezahlt („Sterbequartal"). Ein
Gleiches ist nicht geboten, aber doch nach Ermessen des Ministeriums zulässig, wenn der
Beamte andere Verwandte, deren Ernährer er war, in Dürftigkeit hinterläßt, oder wenn
sein Nachlaß die Kosten der letzten Krankheit und der Beerdigung nicht deckt).
2. Nach dem Ablauf des „Sterbequartals“ bekommt die Wittwe2) bis zur Wieder-
verheirathung und die ehelichen oder durch nachfolgende Ehe legitimirten Waisen bis
zum 18. Lebensjahr einen Theil derjenigen Pension, welche dem Verstorbenen bewilligt
ist oder hätte bewilligt werden können, wenn er am Todestage in den Ruhestand ver-
setzt worden wäre. Der Antheil der Wittwe beträgt 30 % der Pension 3). Der An-
theil der Waisen beträgt, wenn die Wittwe ein Wittwengeld bezieht, K des letzteren
für jedes Kind; er beträgt, wenn kein Wittwengehalt bezahlt wird, für ein Kind ⅜,
für zwei Kinder je ½, für drei und mehr Kinder je ½ des Wittwengeldes. Wittwen-
und Waisengelder zusammen dürfen den Betrag der Pension des Verstorbenen nicht
übersteigen, auch nicht mehr als 2400 Mark ausmachen. Das Wittwengeld füllt fort,
wenn die Ehe in den letzten drei Monaten vor dem Tode des Mannes geschlossen ist,
bloß um der Wittwe das Wittwengeld zu verschaffen; es wird, wenn der Mann zur
Zeit der Verheirathung älter als 50 Jahr und die Frau mehr als 20 Jahr jünger
war, für jedes angefangene Jahr des Altersunterschiedes über 20 Jahr um 5 %, höch-
stens um 50 % gekürzt. — Abtretung oder Verpfändung des Wittwen= und Waisen-
gelds ist ungiltigt). — Der Anspruch auf Wittwen= und Waisengeld ruht, wenn der
Berechtigte die Reichszugehörigkeit verliert. — Die Mittel zur Zahlung des Wittwen-
und Waisengeldes werden durch ein Civildienerwittwen-Institut 3) beschafft, dem alle Be-
amten angehören; jeder Beamte) hat 3% seines pensionsfähigen Gehalts bezw. seiner
Pension an das Institut zu zahlen; den etwaigen Fehlbetrag deckt der Staat. Die
Verwaltung führt eine Kommission von 3 Mitgliedern, die der Großherzog ernennt; einer
von ihnen muß die Fähigkeit besitzen, Richter zu sein?).
§ 30. i. Unfälle in einem unfallversicherungspflichtigen Betriebe ). Trifft einen
Beamten, der in einem derartigen Betriebe des Staats beschäftigt ist, ein Unfall, so
kommt es weder darauf an, ob der Beamte fest oder auf Widerruf angestellt oder bloß
diätarisch beschäftigt ist, noch darauf, wie lange er schon im Staatsdienst steht. Viel-
mehr gelten für alle Beamten gleichmäßig folgende Regeln.
1) Ges. v. 27. Nov. 1874 betr. die Revision, Art. 9; Ges. vom gleichen Tage, die Sterb-
quartale betr.; Ges. v. 10. Mai 1875, Art. 11.
2) Ges. v. 30. Juni 1886.
3) Jedoch bei Besoldungen unter 2500 Mk. mindestens 20% des Gehalts und nicht weniger
als 60. c2 bei Besoldungen über 2500 Mk. nicht weniger als 600 Mk. und nicht mehr als
00 Mk.
4) Die gerichtliche Beschlagnahme ist wegen Alimentenforderungen der Waisen zulässig, wegen
anderer Forderungen nur in Höhe von ½ des Ueberschusses über 1500 Mk. CPO. § 749.
5) Gegründet am 2. Okt. 1808. 6) Ueber Notare, Ges. v. 30. Juni 1886, Art. 4. 9.
7) V. v. 19. März 1890.
8) Ges. v. 18. Juni 1887. Vgl. Reichsgesetz vom 15. März 1886.