Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

68 Vierter Abschnitt: Das Finanzwesen. 2. Staatseinnahmen. 8 40. 
Steuerpflichtige die vorgeschriebenen Erklärungen nicht oder nicht richtig ab, so wird er, 
wenn er absichtlich und wider besseres Wissen gehandelt hat, mit Geldstrafe in Höhe des 
achtfachen Jahresbetrages der hinterzogenen Steuern bestraft; bei Fahrlässigkeit tritt 
dagegen Geldstrafe bis 100 Mark ein. Diese Anzeige ist nicht alljährlich zu wieder- 
holen, sondern nur dann, wenn die Kapitalrente des Steuerpflichtigen sich seit der letzten 
Anzeige um mindestens 100 Mark erhöht hat. 
III. Gewerbesteuer!). 1. Ihr sind alle Personen unterworfen, die in 
Hessen ein Gewerbe betreiben, ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz oder ihre Staats- 
zugehörigkeit. 
2. Befreit sind öffentliche Beamte — Rechtsanwälte, Aerzte, Künstler, Lehrer 
u. s. f. — Landwirthe — Handlungsdiener, Gesellen, Arbeiter u. s. f., die für Rechnung 
eines Andern in dessen Hause, Fabrik, Bergwerk u. s. w. arbeiten — gewisse kleine Ge- 
werbetreibende, z. B. Flickschneider, Nähterinnen und Wäscherinnen, die ohne Gehilfen 
arbeiten, Fischer, Höker — endlich Erwerbsgesellschaften, welche die ihrem Zweck ent- 
sprechende Thätigkeit statutenmäßig und thatsächlich auf den Kreis ihrer Vereinsgenossen 
beschränken (z. B. ein Konsumverein, der nur an seine Genossen veräußert, selbst wenn 
er seine Einkäufe bei Nichigenossen besorgt). 
3. Die Höhe der Steuer wird nicht nach dem Einkommen bemessen, welches der 
einzelne Gewerbetreibende aus seinem Gewerbe zieht; denn die Höhe dieses Einkommens 
kann ohne das lästigste Eindringen in die Erwerbsverhältnisse der Betheiligten gar nicht 
festgestellt werden. Das Steuerkapital wird vielmehr nach gewissen äußerlich leicht er- 
kennbaren Merkmalen festgestellt, welche bei durchschnittlichen Verhältnissen einen 
Schluß auf die Ertragsfähigkeit des Gewerbebetriebes gestatten. Demzufolge sind alle 
Gewerbe nach ihrer durchschnittlichen Ertragsfähigkeit in 7 Klassen getheilt, sodaß z. B. 
Bankiers in die 1., Buchhändler in die 2., Bierbrauer, welche weniger als 600 Hekto- 
liter jährlich brauen, in die 5. Klasse gehören. Innerhalb der meisten Klassen wird 
wieder nach der gewerblichen Bedeutung des Orts, an welchem das Gewerbe betrieben 
wird, unterschieden, und zwar werden hierbei drei örtliche Rangklassen angenommen. 
Für jede Gewerbsklasse und örtliche Rangklasse wird nun ein „Normalsteuerkapital“ 
d. h. ein fester Mindestbetrag des Steuerkapitals festgesetzt, z. B. 500 Mark für die 
erste Gewerbsklasse an Orten der ersten örtlichen Rangklasse, 5 Mark für die niedrigste 
Gewerbsklasse an Orten der niedrigsten örtlichen Rangklasse. Doch ist dieser Betrag 
eben nur der geringste Satz des betreffenden Steuerkapitals; es treten nämlich für die 
größeren Betriebe gewisse Zuschläge hinzu, welche wiederum nach rein äußerlichen Merkmalen 
bemessen werden 2). — Natürlich führt eine derart schablonenhafte Berechnung des Steuer- 
kapitals nothwendig zu Unbilligkeiten. Eine kleine Abhilfe dagegen gewährt der Satz, 
daß mit Rücksicht auf die ungünstigen Verhältnisse eines einzelnen Gewerbebetriebes 
dessen Steuerkapital ermäßigt werden darf. 
1) Gesetz die gleichmäßige Besteuerung der Gewerbe betreffend vom 8. Juli und Verordn. 
vom 23. Juli 1884. 
2) Und zwar in verschiedenster Art. Am häufigsten ist folgende Berechnung: zum Normal- 
steuerkapital werden 33½% für jeden im Gewerbe beschäftigten Gehülfen und außerdem der Mieths- 
werth der für den Betrieb verwendeten Räumlichkeiten zugeschlagen. Miethswerth ist aber nicht 
gleich Miethe, sondern das um ⅛ erhöhte Grundsteuerkapital der betreffenden Räumlichkeiten. Ein 
Mainzer Bäcker hat z. B. das Normalsteuerkapital der 5. Gewerbs= und 1. Ortskasse mit 60 Mk. 
Wenn er 2 Gehülfen hat und das Grundsteuerkapital seiner Geschäftsräume 90 Mk. beträgt, so treten 
60 90 
zu dem Normalsteuerkapital ( x 659) + („ + 9 Das wirkliche Steuerkapital beträgt also 
60 + 40 + 120 = 220 Mk. Die wirkliche Gewerbesteuer des Bäckers würde mithin 1891/92, wo 
der Steuerausschlag 16% des Gewerbesteuerkapitals betrug, 35 Mk. ausgemacht haben.
	        
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