Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

8 44. Rechnungskontrolle. 79 
gethan, sondern jedesmal, wenn sie in Ermangelung eines neuen Finanzgesetzes die 
Einnahme des alten forterhob, auch die Ausgabenbewilligung des alten Gesetzes freiwillig 
als fortdauernd anerkannt. 
4. Lange Zeit waren die „fixen Etats“, welche die Regierung 1836 mit den Ständen verein- 
bart hatte (mit der Wirkung, daß für gewisse Verwaltungszweige bestimmte Mindestbeträge an 
Gehältern u. dgl. dauernd, also ohne Beschränkung auf eine einzelne Finanzperiode, bewilligt 
waren), Gegenstand lebhaften Streits. In der That war die Vereinbarung ungültig. Denn die 
Stände haben das Steuerbewilligungsrecht, so gut wie ihre übrigen Rechte, nicht um ihrer selbst, 
sondern um des Volkes, des Staates willen. Deßhalb können fie sich bei Ausübung dieser Rechte 
nicht beliebig binden. Sie können vielmehr bindende Erklärungen nur in den gesetzlich vorgeschrie- 
benen Fällen abgeben, z. B. bei der Decharge-Ertheilung, der Einwilligung in eine Domänen- 
veräußerung. Im Uebrigen können fie sich nur durch Gesetz binden. Somit hätte die Vereinbarung 
der fixen Etats — ähnlich wie im Reich die des Septennats — der gesetzlichen Form bedurft, und 
dies ist verabsäumt. Während die Regierung noch in den Landtagsabschieden von 1865 und 1868 
an den fixen Etats festhielt, hat sie sie seit 1874 fallen lassen 7). 
IV. Kapitel. 
Rechnungskontrolle. 
§ 44. Die Rechnungskontrolle geschieht in dreifacher Art. 
1. Durch die Behörden, in deren Wirkungskreis die Einnahme oder Ausgabe füllt, 
im gewöhnlichen Instanzenzuge. 
2. Durch die Oberrechnungskammer?). Sie besteht aus einem Präsidenten 
und mehreren Räthen, von denen einer die Befähigung zum Richteramt erlangt haben 
muß; nahe Verwandte dürfen nicht zugleich Mitglieder sein; sie dürfen keine Nebenämter 
oder mit Einnahmen verbundene Nebenbeschäftigungen übernehmen noch Mitglieder einer 
der Landtagskammern sein 3). Dazu tritt das nöthige Revisions= und Kanzleipersonal. 
Sämmtliche Beamte der Oberrechnungskammer werden nach Anhörung des Präsidenten 
oder auf dessen Antrag ernannt. — Die Oberrechnungskammer hat eine kollegiale Ver- 
fassung: sie faßt ihre Beschlüsse unter Theilnahme von mindestens 3 Mitgliedern nach 
Stimmenmehrheit. Sie ist allen andern Behörden gegenüber unabhängig und hat auch 
die Finanzverwaltung der Ministerien ihrer selbständigen Prüfung zu unterziehen. — 
Die Oberrechnungskammer prüft alle Rechnungen über die Ausführung des Etats, sowie 
die Rechnungen der Gemeindeverbände und gewisser öffentlicher Anstalten; die Ausnahme, 
die in Preußen für unbedeutende Rechnungen und für die Rechnungen über geheime 
Fonds gemacht ist, gilt in Hessen nicht. Die Prüfung geht nicht bloß darauf, ob die 
Rechnungen rechnerisch richtig sind, sondern auch darauf, ob die Finanzgebahrung den 
Gesetzen und dem Etat entspricht. — Die Oberrechnungskammer hat die Rechnungen 
„abzuschließen". Stellen sich dabei Bedenken heraus, so ist zu unterscheiden, gegen wen 
diese gehen. Gehen sie gegen die dekretirende Behörde, so wird festgehalten, daß die 
Oberrechnungskammer dieser nicht vorgesetzt ist und keine Dienstgewalt über sie hat. Die 
Oberrechnungskammer kann deßhalb mit der Behörde lediglich in Verhandlung treten, 
um das Bedenken „in dem allgemein üblichen Geschäftsverkehr auszutragen“", und muß, 
falls die Behörde das Bedenken nicht erledigt, im Instanzenzuge, schließlich beim Groß- 
herzog, Beschwerde führen. Trifft dagegen das Bedenken den Rechner, — z. B. wenn 
ihm vorgeworfen wird, er habe ohne Anweisung eine Einnahme erhoben, eine Ausgabe 
vollzogen, oder er habe umgekehrt eine Anweisung nicht ausgeführt, — so greift die 
315 z. B. II. Kammer, 21. Landt., Beil. 125, S. 2 ff., Prot. 24, S. 9 ff. 
Ges. v. 14. Juni 1879, größtentheils wörtlich dem preußischen Eesetz vom 27. März 1872 
nachgebildet. 
3) Ueber die Disciplinarverhältnisse s. S. 49, ö1, 52.
	        
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