Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

80 Fünfter Abschnitt: Gemeinden und Gemeindeverfassung. 1. Die Ortsgemeinden. 8 45. 
Oberrechnungskammer unmittelbar gegen ihn durch, d. h. sie stellt seine Schuld gegen 
die Kasse, das Magazin u. s. f. fest, wobei sie den Rechner zu jeder weiteren Auskunft 
mittels Ordnungsstrafen nöthigen kann. Insoweit hat sie also die Rechte einer vor- 
gesetzten Behörde. Gegen die Festsetzung kann der Rechner binnen drei Monaten den Rekurs 
erheben, über welchen gleichfalls die Oberrechnungskammer, jedoch durch drei Mitglieder 
des Verwaltungsgerichtshofs verstärkt, entscheidet; wird die Frist versäumt oder der Rekurs 
verworfen, so wirkt die Festsetzung wie ein vollstreckkares Erkenntniß; doch steht dem 
Rechner immer noch der ordentliche Rechtsweg dawider zul). — Alljährlich hat die 
Oberrechnungskammer über die Finanzwirthschaft des Staats zu berichten und dabei ihr 
Gutachten über etwa zu Tage getretene Mängel der Finanzverwaltung abzugeben. 
3. Durch den Landtag:). Diesem ist vom Staatsministerium über die Finanz- 
wirthschaft jeder Finanzperiode, — und zwar spätestens in der zweiten darauffolgenden 
Finanzperiode — Rechnung zu legen. Der Rechnung ist ein Gutachten der Oberrechnungs- 
kammer beizufügen. Der Landtag hat über die Richtigkeit der Rechnung Beschluß zu 
fassen. Wird die Rechnung als richtig anerkannt, so gilt dies als Quittung des Staats 
gegenüber dem Ministerium; dagegen bleiben die Ansprüche des Staats gegenüber den 
untergeordneten Beamten erhalten 3). Wird die Rechnung nicht als richtig anerkannt, 
so bleiben auch die Ansprüche des Staats gegen das Ministerium in der Schwebe. Denn 
weder kann das Ministerium den Landtag zwingen, nachträglich das Anerkenntniß ab- 
zugeben, noch kann umgekehrt der Landtag das Ministerium nöthigen, die Rechnung 
richtig zu stellen und den dadurch entstehenden Ausfall aus dem eigenen Vermögen zu 
ersetzen. Höchstens kann der Landtag durch eine Ministeranklage die etwaigen Rechte des 
Staats wahren. 
Fünfter Abschnitt. 
Gemeinden und Gemeindeverfassung. 
I. Kapitel. 
Die Ortsgemeinden. 
§ 45. a. Stadt und Landgemeinden. Gemarkungen. 1. Die Ortsgemeinden 
sind entweder Stadt= oder Landgemeinden. Beide Gemeindearten unterscheiden sich nicht 
durch den Titel, den die Ortsgemeinde nach dem Herkommen führt; so wird z. B. Fried- 
berg und Bingen seit Altersher Stadt genannt, ist aber rechtlich eine Landgemeinde. 
Entscheidend ist vielmehr die Einwohnerzahl: Ortschaften mit mindestens 10 000 Ein- 
wohnern sind immer Stadtgemeinden, Orte mit 3— 10000 Einwohnern sind Land- 
gemeinden, außer, wenn der Großherzog ihnen auf ihren Antrag nach Anhörung des 
Kreistages das Stadtrecht besonders ertheilt hat“), Orte unter 3000 Einwohnern sind 
immer Landgemeinden. 
1) 23. Landt., II. Kammer, Prot. 2, Nr. 21. 
2) Verf. Art. 68. Ges. v. 14. Juni 1879 betr. die Verwaltung der Einnahmen u. f. f., 
Art. 21. Ges. v. 14. Juni 1879 betr. die Oberrechnungskammer, Art. 20. 
3) Entsch, des Reichsgerichts in Civils., Bd. 13, S. 258. Die Quittung bedeutet also nicht, 
d die Rechnungen absolut richtig sind, sondern nur daß sie einen Vorwurf gegen das Ministerium 
nicht ergeben. 
4) StO. 1—3. LO. 1. Soviel mir bekannt, ist solche Ertheilung des Stadtrechts that- 
sächlich nur in Alzey vorgekommen.
	        
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