Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

ß 48. Organe der Stadtgemeinde. 83 
½—¼ erhöht werden. Für die übrigen Aemter, z. B. des Bürgermeisters oder Ge- 
meinderechners, besteht kein Annahmezwang. 
§ 48. d. Organe der Stadtgemeinde. Stadtgemeindeorgane sind die Stadtver- 
ordnetenversammlung, der Bürgermeister, die Beigeordneten, die Verwaltungsdeputationen 
und gewisse Gemeindebeamte. Wenn das Gesetz vom Gemein devorstandt9 spricht, 
ist darunter die Stadtverordnetenversammlung zu verstehen. Bürgermeister und Bei- 
geordnete werden zusammen als Magistratspersonen?) bezeichnet. 
I. Die Stadtverordnetenversammlungs). 1. Sie besteht je nach der Ein- 
wohnerzahl der Stadt aus 12—24 gewählten Mitgliedern; außerdem gehören ihr der 
Bürgermeister und die Beigeordneten mit vollem Stimmrecht an"). Der Bürgermeister 
beruft die Versammlung so oft er es für nöthig hält oder, sobald ein Viertel der Mit- 
glieder es fordert. Er — und nicht, wie in Preußen, ein von der Stadtverordneten- 
versammlung besonders gewählter Vorsteher — führt den Vorsitz5); seine Stimme gibt 
bei Stimmengleichheit den Ausschlag. 
2. Die Wahl der Stadtverordneten geschieht durch alle Angehörigen der politischen 
Gemeinde kraft gleichen Wahlrechts; das preußische Dreiklassensystem ist also bei den 
Gemeindewahlen so wenig anerkannt wie bei den Landtagswahlen"). Die Wahl ist der 
Urwahl zum Landtage ähnlich; nur ist sie unmittelbar und geschieht regelmäßig bezirks- 
weise, so daß in jedem Bezirke 3 oder 6 Stadtverordnete gewählt werden. 
Anfechtung der Wahl binnen 3 Tagen nach der Bekanntmachung; auch der Kreis- 
rath hat wegen erheblicher Gesetzwidrigkeiten das Anfechtungsrecht. Ueber die Gültigkeit 
der Wahl entscheidet nicht, der für die Landtags= und Kreistagswahlen geltenden Regel 
entsprechend, die Stadtverordnetenversammlung selber, sondern der Kreisausschuß in erster, 
der Provinzialausschuß in letzter Instanz). 
3. Die Wahl der Stadtverordneten geschieht auf neun Jahr. Alle 3 Jahr scheidet 
ein Drittel aus und wird durch Neuwahlen ersetzt. Hierbei sind zugleich Ersatzmänner 
für die in der Zwischenzeit anderweit abgegangenen Mitglieder zu wählen; doch können 
Ersatzwahlen der letzteren Art auch vor Ablauf der dreijährigen Periode stattfinden, 
namentlich wenn der außerordentliche Abgang mehr als ein Drittel der Mitglieder be- 
troffen hat. 
4. Das passive Wahlrecht zur Stadtverordnetenversammlung ist an die gleichen 
Bedingungen wie das aktive gebunden: wählbar sind nur Angehörige der politischen Ge- 
meinde. Doch ist das passive Wahlrecht kein gleiches wie das aktive (gerade um- 
gekehrt wie bei der Kreistagswahl): es muß vielmehr die Hälfte der Stadtverordneten 
eines jeden Wahlbezirks dem höchstbesteuerten Drittel der Wählbaren angehören. Nicht 
wählbar sind Personen, denen die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter durch 
Strafurtheil abgesprochen ist, ferner aktive Militärpersonen, Geistliche, Schullehrer, die 
den Gemeinden vorgesetzten Beamten, Staatsanwälte, Polizeibeamte, endlich die Magistrats- 
personen. Stadtverordnete dürfen auch weder unter sich noch mit einer Magistrats- 
person in gerader Linie verwandt sein; ebenso ist ein Bruder durch den andern aus- 
geschlossen. 
1) St O. Ueberschrift zu Titel II, Abschn. 1. 
2) StO. 30. 3) StO. 11—48. » 
4) Die Regel, daß zwecks Festsetzung des Gemeindeetats auch Vertreter der Forensen in die 
St BWV. eintreten (Ges. v. 22. Nov. 1872), ist durch Ges. v. 19. Juli 1890 aufgehoben. 
5) Eine Ausnahme bei Prüfung der Gemeinderechnung unten S. 96. " 
6) Während bei den Kreistagswahlen wenigstens ein Zweiklassensystem gilt, sfiehe oben 
S. 35. 
7) StO. 24, 25, KO. 48 III, 6; 67. 
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