88 Fünfter Abschnitt: Gemeinden und Gemeindeverfassung. 1. Die Ortsgemeinden. § 50.
Nur genügt, wie erwähnt, ein Beigeordneter. Wahl wie beim Bürgermeister. In
einer zusammengesetzten Bürgermeisterei muß in der Gemeinde, in welcher der Bürger-
meister nicht wohnt, wenigstens ein Beigeordneter wohnen, und er wird auch nur von
den Angehörigen dieser Gemeinde gewählt 7.
4. Auch die übrigen Gemeindebeamten sind rechtlich den städtischen gleichgestellt.
Nur hat der Bürgermeister keine Disziplinargewalt über sie.
§ 50. f. Zuständigkeit der Gemeindeorgane. I. Eigentliche Gemeinde-
verwaltung. Sie ist von ähnlichem Umfang wie in den meisten deutschen
Staaten. Sie umfaßt nämlich die Verwaltung des Gemeindevermögens, die Errichtung
und Verwaltung gemeinnütziger Anstalten, wie etwa von Wasserleitungen, Gaswerken
u. dgl., das ganze Ortsarmenwesen 2) u. f. f.
1. Ihr Schwerpunkt liegt durchaus in der Gemeindevertretung, weßhalb dieser
auch in den Gesetzen und ebenso in meiner in den beiden vorigen Paragraphen gegebenen
Darstellung der Gemeindeorgane an erster Stelle, also noch vor dem Bürgermeister und
den Beigeordneten, zu gedenken war.
a) Die Gemeindevertretung hat zunächst das Recht, für gewisse Angelegenheiten
allgemein verbindliche Anordnungen („Lokalstatuten") zu erlassen, freilich regelmäßig nur
mit besonderer Erlaubniß des Ministeriums. Sie stellt ferner den Gemeindehaushalt
fest und bewilligt die zur Deckung der Gemeindeausgaben nöthigen Geldmittel. In beiden
Beziehungen hat sie also eine ähnliche Stellung im Gebiete der Gemeindeverfassung, wie
die Ständeversammlung im Gebiete der Staatsverfassung. Aber ihre Rechte gehen noch
über den Erlaß von Lokalstatuten und die Geldbewilligung hinaus: anders wie die
Ständeversammlung kann sie sich auch in alle Einzelheiten der Verwaltung mischen und
nimmt selbst an der Ernennung der Beamten theil, und zwar nicht bloß berathend oder
informatorisch, sondern mit beschließender Stimme 5).
b) Während die Beschlüsse der Ständeversammlung regelmäßig nur dann positiv
wirksam sind, wenn sie die Zustimmung der Staatsregierung erhalten haben, sind die
Beschlüsse der Gemeindevertretung aus sich selbst verbindlich, und es ist keine Rede davon,
daß etwa wie nach der preußischen Magistratsverfassung die Beschlüsse der Gemeinde-
vertretung erst durch die Zustimmung der Magistratspersonen Gültigkeit erlangten.
Doch gibt es von dieser Regel wichtige Ausnahmen: für manche Beschlüsse ist ausnahms-
weise die Zustimmung bald des Ministeriums?), bald des Kreisraths oder Kreisaus-
schusses 5), bald des Bürgermeisters ) für nöthig erklärt.
Jc) So ist denn die Stellung der Gemeindevertretung in der Gemeinde weit ein-
flußreicher wie die der Ständeversammlung im Staat. Indeß ist doch wieder darin
die Gemeindevertretung der Ständeversammlung gleich, daß sie ihre Beschlüsse nicht selber
ausführen kann; sie muß sich vielmehr eines Vollzugsorgans, des Bürgermeisters, be-
dienen, kann aber die Ausführung ihrer Beschlüsse selbständig überwachen?).
2. Dem Bürgermeister verbleibt demgemäß im Wesentlichen die Aufgabe, den
Vorsitz in der Gemeindevertretung mit vollem Stimmrecht zu führen und ferner die
Beschlüsse der Gemeindevertretung, mag er nun dafür stimmen oder dagegen, vorzu-
bereiten und auszuführen. Er ist also in erster Reihe Vorsitzender und Geschäftsführer
1) LO. 28, 31, 34.
2) Eine Mittelstellung zwischen eigentlicher Gemeinde= und Gemeindestaatsverwaltung nimmt
das Volksschulwesen ein. 3) St O. 36, LO. 36.
4) Lokalstatuten, Einführung eines Einzuggeldes u. s. f., St O. 9, 74.
5) Siehe unten bei den Gemeindefinanzen S. 90, 91.
6) Z. B. bei Entlassung von Gemeindebeamten, St O. 51 Abf. 2.
7) St O. 37, LO. 37.