Belgien. (Febr. 16-22). 485
16. Februar — 8. März. II. Kammer. Verathung des
Budgets der Justiz und des Cultus.
Die Anträge auf Herabsetzung des Gehalts der Bischöfe und der
niederen Geistlichkeit werden nach dem Wunsche der Regierung mil 95 gegen
26 Stimmen verworsen, dagegen die Besoldungen der bischöfl. Coadjutoren
und der Professoren an den geistlichen Seminarien und die Stipendien der
Seminaristen ganz gestrichen und die Unterstühnngen des Staats an die
Provinzen und Gemeinden für Cultusgebäude um 200, 000 Fr. gekürzt, die
Priester der Gewerbsteuer unterworfen und den ohne Genehmigung der Ne-
gierung zu kirchlichen Amtzverrichtungen verwendeten Ausländern eine Ge-
haltszahlung verweigert. Der Justizminister erklärt: die Regierung werde
keine Herabsetzung des Cinsommens der Bischöfe eintreten lassen; sie halte
war die Bischöfe für die Urheber der vorgelommenen Unordnungen, müsse
indessen einen derartigen Act der Wiedervergellung seitens der Staatsgewalt
für einen ungeeigneten Ausdruck der Mißbilligung erachten. Die Maßregel
gegen die geistlichen Seminarien dürfte vorläufig genügen. Dagegen gab
der Justizminister Bara seinen etwas zu weit gehenden Parteigenossen eine
Genugthunng dadurch, daß er in einer sorgjältig vorbereiteten Rede das seit
1830 im Lager der Clericalen sich fortschleppende Thema: die von der bel-
gischen Verfassung dem Staat auferlegte Bestreitung der Cultuskosten sei
als eine Entschädigung für die durch die französische Revolntion an der
Kirche verübten Spoliationen zu betrachten, mit historischen und juridischen
Gründen zu Boden schlug, und zwar so überzeugend, daß des anderen Tages
ein gewaltiger Vorkämpfer der Rechten, Advocat Jacobs, Deputirter von
Antwerpen, davon abstand, die constitutionelle Bestimmung über die Besol-
dung der Geistlichen als auf dem Recht begründet hinzustellen, dafür aber
um so höher die moralische Verpflichtung betonte. Bara widerrieth auch
die beantragte Herabsehung des Gehalts des Exzbischofs (21,000 Fr.) und
der Bischöfe ((e 15.000 Fr.), nicht weil sie rechtlich unbegründet wäre, sou-
dern weil sie in den Augen des Publikums als Ausdruck eines Nachegefühls
erscheinen würde. Eine Verminderung des dem niederen Clerus zuerkannten
Gehalts hält er für unstatthafte von den 4995 besoldeten Geistlichen er-
halten 1791 nicht mehr als 600 Fres., 2000 nicht mehr als 1000, 875
zwischen 2000 und 3000, 13 zwischen 3000 und 4000. Allerdings ist die
Staatsbesoldung oft mit sehr beträchtlichen Casnaleinkünften verbunden, und
im Ganzen gilt der belgische Clerus für wohlhabend, aber es fehlen der
Regierung die nöthigen Grundlagen, um mit Nücksicht auf diese Nebenein-
künfle eine für jeden Betheiligten gerechte Veränderung vorzunehmen. Eben-
sowenig ist Bara geneigt, die Zahl des geistlichen Personals zu vermindern,
obgleich nicht zu leugnen ist, daß dieselbe mit den wirklichen Bedürfnissen
des Gottesdienstes und der Seelsorge nicht übereinstimmt und die Pfarrer
einen merklichen Theil ihrer Zeit auf politisches Wirken zu verwenden im
Stande sind; aber auch auf diesem Gebiete würde es der Verwaltung schwer
fallen, wenigstens sofort, die jeyige Sachlage zu ändern. Es wird von dem
Verhalten des Clerus selbst abhängen, ob die verschiedenen zum Nachtheile
der Kirche im Schoße des Liberalismus aufgetauchten Anträge von der Re-
gierung späterhin in ernstliche Prüfung gezogen werden.
17. Februar. In Antwerpen wird an die Stelle eines ver-
storbenen liberalen Senators ein Clericaler gewählt. Die Mehrheit
der Liberalen im Senat ist dadurch auf 4 Stimmen reducirt.
22. Februgr. In Brüssel genehmigt der Gemeinderath ein-