IV Vorwort.
Während einst unkluge oder dünkelhafte Überhebung das
Leben, Dichten und Denken des Volkes für nichts achtete,
wird warmes Empfinden dafür erweckt. Damit leistet die
Volkskunde also auch eine Art sozialer Aufgabe. Und wenn
sie endlich zu den Erscheinungen, die sie gesammelt hat, Ver—
wandtes bei anderen Völkern sucht und Vergleichungen vor—
nimmt, ist ihr letztes Ziel die Erschließung des Allgemein—
menschlichen in seinen mannigfachen Formen: sie wird zur
Völkerpsychologie.
Ich meine, es muß jedem das Herz höher schlagen, dem
zum ersten Mal das Verständnis für diese Wissenschaft auf—
geht. Und wenn dem so ist, dann hat sicherlich auch die
Schule das Recht und die Pflicht, mit ihren Zöglingen
Volkskunde zu treiben, ihnen das Fortdauern deutscher Art
in Sitte und Brauch, im Glauben und Fühlen, im Dichten
und Sprechen des Volkes zum Bewußtsein zu bringen.
Längst Bekanntes wird ihnen dann als wertvolles Erbe alter
Zeiten erscheinen, gleichsam in einem neuen, feierlichen
Dämmerglanz, der aus der Vergangenheit zu uns herüber—
schimmert. Wer aus dem Geschichtsunterricht gelernt hat,
daß die Kraft und die Größe des Vaterlandes im Volkstum
wurzeln, der wird dem deutschen Unterrichte dankbar sein,
wenn er nähere Aufschlüsse über diesen uralten Nährboden
giebt. Und er wird fühlen lernen, daß er selbst mit all
seinen Lebensäußerungen und Anschauungen der Eigenart
und dem bestimmenden Einflusse dieses Volkstums unbewußt
unterworfen ist.
Sollte aber die Schule nicht noch einen Schritt weiter
gehen dürfen? Würde die Volkskunde nicht viel mächtiger
auf die Jugend einwirken, wenn diese zur selbstthätigen Mit—
wirkung bei der Sammelarbeit angeregt würde? Damit
würde man gleichzeitig auch der Wissenschaft einen wenn
auch bescheidenen Dienst leisten können. Schon der Quintaner
ist als Helfer brauchbar. Seine Kenntnis vom Volkstüm—
lichen ist zwar gering. Sie beschränkt sich zumeist auf
Kinderlieder. Aber sie wird größer werden, und zwar wird