Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

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die Fortgeltung vertragsmäßiger Grundlagen des Reichs sind auch Bähr 
in den Preußischen Jahrbüchern Bd. 28 S. 72ff. und die bei Meyer 8 164 
A. 9 S. 590 angeführten Schriftsteller — vgl. auch O. Mayer im Arch.f. öff. R. 
Bd. 18 S. 357 A. 363 ff. 
Dieser dritten Kategorie der möglichen Ansichten steht die hier zu ver- 
tretende Auffassung am nächsten. Es ist prinzipiell anzuerkennen, daß das 
Reich ein Bundesstaat und kein Staatenbund ist. Im Anschluß an die in der 
Literatur vielfach, namentlich bei Laband 1 S. 83 ff. vertretene Begründung 
kann dieser Standpunkt damit gerechtfertigt werden, daß das Reich in dem 
Kaiser, Bundesrat und Reichstag seine eigenen Organe besitzt, daß es ferner 
seine eigene Kompetenz durch Reichsgesetz in grundsätzlich unbeschränktem 
Maße ausdehnen kann (Art. 78 R.V.) und daß ihm die Befugnis zur 
eigenen Gesetzgebung mit der Wirkung zusteht, daß die Reichsgesetze den 
Landesgesetzen vorgehen (Art. 2 R.V.). Diese Tatsachen geben dem Reich 
im Verhältnis zu den Einzelstaaten ein Maß von Selbständigkeit und 
eigener Staatsgewalt, das mit der Annahme einer bloß völkerrechtlichen 
Bindung der Einzelstaaten unvereinbar sein würde. Auch das Reichsgericht 
(4. Cs. Urt. v. 12. Mai 1899 Bd. 44 S. 206) hat gelegentlich ausgesprochen, 
daß nach den Bestimmungen der Reichsverfassung eine organische bundes- 
staatliche Verbindung zwischen sämtlichen deutschen Einzelstaaten hergestellt 
sei — vgl. ferner die Entsch. v. 10. Juni 1899 5. Cs. Bd. 44 S. 380. Daß 
das Reich in vermögensrechtlicher Beziehung eine eigene Persönlichkeit dar- 
stellt, daß es also einen Reichsfiskus gibt, der von dem Fiskus der Einzel- 
staaten verschieden und der selbständige Träger von Rechten und Pflichten 
ist, wird in der Praxis allgemein anerkannt. Daneben sind aber die ver- 
tragsmäßigen Grundlagen der Entstehung des Reichs noch in gewissem 
Grade wirksam. Darauf weist die Entstehungsgeschichte des Reichs hin. 
Durch die Augustverträge von 1866 hatten sich die Regierungen der 
Einzelstaaten des Norddeutschen Bundes im Wege des Staatsvertrages ver- 
pflichtet, ein Bündnis von der Art, wie es im Norddeutschen Bunde zustande 
gekommen ist, zu errichten. Durch die tatsächliche Gründung dieses Bundes 
find zwar die Augustverträge erledigt, aber der Bund konnte nur dadurch 
ins Leben treten, daß die Einzelstaaten ihre Regierungen ermächtigt haben, 
und zwar im Wege der bei ihnen zuerst landesgesetzlich eingeführten Ver- 
faffung des Norddeutschen Bundes, ein Bündnis zu schließen, wie es im 
Eingang der Verfassung dargestellt ist, und diesem Bund die im Art. 1—78 
(bez. 1—80 der Verfassung des Nordd. Bundes, der 80 Artikel hatte) aus- 
geführte Verfassung zu geben. Durch die landesgesetzliche Einführung der 
Verfassung war der Tatsache Rechnung getragen, daß der von den Regie- 
rungen geschlossene Staatsvertrag mit einer tiefgehenden Veränderung des 
Verfassungsrechts der Einzelstaaten verbunden war. In der Verfassung des 
Norddeutschen Bundes, die von der Reichsverfassung nur in einem für die 
vorliegende Frage nicht wesentlichen Maße abweicht, wurde der durch den 
Staatsvertrag der Einzelstaaten geschaffenen Gemeinschaft ein so großartiges 
Feld der Kompetenz, so weitreichende organisatorische Befugnisse und ein 
nach Zahl und Gewicht so bedeutendes Maß gemeinsamer Einrichtungen 
verliehen, daß (im Sinne der durch die staatsrechtliche Theorie ausgebildeten 
Begriffsunterscheidung zwischen Bundesstaat und Staatenbund) dieser Ge- 
meinschaft mit Recht die juristische Qualifikation des Bundesstaats und
	        
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