194 III. Bundesrat. Art. 6.
Mehrheitsbeschlüssen des Bundesrats und Reichstags beruhen, und er hat auf
dem Gebiete der Verwaltung, soweit hier nicht der Kaiser ausschließlich zu-
ständig ist, umfassende höchstinstanzliche Funktionen. Die Bundesratsbevoll-
mächtigten haben also nicht nur der Reichsverwaltung den Willen der von ihnen
vertretenen Landesregierungen zu übermitteln und die Antwort in Empfang zu
nehmen, wie es der Fall wäre, wenn sie auch ihrer Kompetenz nach nur Ge-
sandte wären, sondern sie sind — allerdings nur im Rahmen und nach Maßgabe
ihrer Instruktionen — gesetzgebendes Organ und höchste Verwaltungsbehörde.
Der Bundesrat ist ebensowenig ein Reichsministerium. Zwar sind unter
seinen Aufgaben solche, die - wenn er nicht vorhanden wäre — nur einem
Reichsministerium übertragen werden könnten. In diesem Sinne ist er aller-
dings mit einem Reichsministerium zu vergleichen, und nur in diesem Sinne
hat Fürst Bismarck im konst. Reichstag Sitzung v. 27. März 1867 St. B.
388 den Vergleich gezogen, als ihm daran gelegen war, den im Reichstag
geäußerten Wunsch auf Einsetzung eines verantwortlichen Reichsministeriums
abzuwehren, indem er darauf hinwies, daß der für ein Reichsministerium
mögliche Geschäftskreis an den Bundesrat bereits vergeben sei und daß diese
Kompetenz dem Bundesrat und damit den Regierungen der Einzelstaaten,
die ihren Bundesratsbevollmächtigten die in diesem Kompetenzkreise liegen-
den Instruktionen zu erteilen haben, verloren gehen müßte, wenn ein Reichs-
ministerium eingesetzt würde. In der Tat hat der Bundesrat eine Reihe
von Befugnissen, die in monarchischen Staaten mit konstitutioneller Verfassung
die verantwortlichen Staatsminister zu haben pflegen; er hat ein umfang-
reiches Verordnungsrecht, er wirkt bei der Ernennung gewisser Kategorien
von Reichsbeamten mit, z. B. der Reichsgerichtsräte, der ständigen Mitglieder
des Reichs-Versicherungsamts, des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privat-
versicherung, des Reichs--Patentamts u. a., er hat im Zoll= und Steuerwesen
und im Reichsschuldenwesen Kontrollrechte und viele andere Verwaltungs-
befugnisse, aber jedes Staatsministerium ist vorbehaltlich seiner Verantwort-
lichkeit und vorbehaltlich seines Rechts bei Meinungsverschiedenheiten, die mit
dem Monarchen entstehen, die Entlassung zu nehmen, eine vom Monarchen
abhängige Verwaltungsbehörde, und dies ist der Bundesrat nicht, denn er
wird nicht vom Kaiser ernannt, er besorgt die Regierungsgeschäfte nicht im
Namen und Auftrage des Kaisers, sondern er steht als Vertreter der Ver-
bündeten Regierungen dem Kaiser unabhängig gegenüber und nur für die
preußischen Bundesbevollmächtigten besteht tatsächlich die Unabhängigkeit
nicht, wegen der Personalunion, in der ihr Vollmachtgeber, der König von
Preußen, mit dem Deutschen Kaiser steht; vgl. Laband 1 S. 215.
3. Der Bundesrat ist weder ein Oberhaus
noch ein Staatenhaus.
Ein Oberhaus unterscheidet sich von der Volksvertretung im eigentlichen
Sinne zwar in der Regel dadurch, daß es nicht oder wenigstens zu einem
großen Teil seiner Mitglieder nicht aus Wahlen des Volks hervorgeht, aber
es hat im übrigen die Eigenschaften einer parlamentarischen Körperschaft
und ist als solche in seiner Abstimmung frei und insbesondere von amtlicher
Einwirkung unabhängig; die Mitglieder stimmen nur nach ihrer persönlichen
Überzeugung. Vom Bundesrate gilt dies nicht, und deshalb ist der Bundes-
rat kein Oberhaus. Die Mitglieder des Bundesrats stimmen nicht nach