Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

III. Bundesrat. Art. 6. 203 
wie ich das schon angedeutet, durch höhere Beamte ihres Ressorts, im 
Bundesrate vertreten sein, und würden auf die Formulierung des 
preußischen Votums durch diese ihre Organe ihren Einfluß üben können."“ 
Nach ständiger Praxis werden übrigens für Preußen neben den Mit- 
gliedern des Staatsministeriums die höchsten Reichsbeamten, insbesonder die 
Chefs der obersten Reichsämter zu Bundesratsbevollmächtigten ernannt. 
Dies hängt mit dem Bestreben zusammen, die Reichspolitik und die preußische 
Politik in möglichst nahe Verbindung zu bringen, damit nicht in den zahl- 
reichen Angelegenheiten, welche die Kompetenz sowohl des Reichs wie Preußens 
berühren, Widersprüche zwischen den leitenden Staatsmännern entstehen. 
Mitbezug hierauf erklärte Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung v. 10. März 
1877 St. B. 7233; 
„Was hat denn eigentlich der König von Preußen für einen Beruf, 
dem Reichspostmeister, dem Chef der Abteilung für Elsaß-Lothringen und 
dem Chef des Reichsfinanzministeriums, des Reichskanzleramts eine von 
17 preußischen Stimmen zu leihen, während eine Menge preußische Be- 
amte vorhanden find, die vielleicht für rein preußische Interessen ganz 
nützlich im Bundesrate wären. Da aber der König von Preußen zu- 
gleich Kaiser, sein Ministerpräsident zugleich Reichskanzler ist, so hat sich 
dies von selbst gemacht.“" 
Die Bestimmung, daß jedes Bundesmitglied soviele Bevollmächtigte 
ernennen kann, als es Stimmen führt, ist, wie v. Seydel S. 134 hervorhebt, 
schon deshalb notwendig, weil sonst die Bundesratsausschüsse (Art. 8) nicht 
ausreichend besetzt werden könnten. 
IV. Das Stimmenverhältnis im Bundesrate. 
Die Verteilung der Stimmen im Bundesrat entspricht nicht annähernd 
dem territorialen Umfang der Bundesstaaten oder ihrer Einwohnerzahl, 
sondern beruht auf historischen und politischen Gründen. Der historische 
Grund der Verteilung wird durch die Tatsache beleuchtet, daß in der Ver- 
fassung des Norddeutschen Bundes, die für den Art. 6 wie fast für alle an- 
deren Artikel der Reichsverfassung die Grundlage bildete, die Stelle: „unter 
welchen die Stimmführung sich in der Weise verteilt,“ lautete: „unter 
welchen die Stimmführung sich nach Maßgabe der Vorschriften für 
das Plenum des ehemaligen Deutschen Bundes verteilt.“ Zu diesem 
Hinweise auf den ehemaligen Deutschen Bund erklärte Fürst Bismarck in 
der Sitzung des konst. Reichstags v. 26. März 1867 St. B. 350. 
„Wir legen darauf Wert, daß dieser jedesfalls unschädliche Zusatz bei- 
behalten werde; daß daraus eine subsidiäre Geltung des früheren Bundes- 
rechts deduziert werden könnte, muß ich entschieden in Abrede stellen. 
Gerade wenn es hier nicht ausdrücklich erwähnt und dennoch genau die 
Stimmenzahl des früheren Bundesplenums gewählt wäre, könnte man 
eher auf die Vermutung kommen, daß im allgemeinen das frühere Recht 
eine gewisse subsidiäre Bedeutung haben solle. Aber gerade weil es hier 
und nirgends wieder ausnahmsweise angezogen ist, fehlt dieser Vermutung 
jeder Boden.“" 
Der Hinweis auf den ehemaligen Deutschen Bund ist zwar in der 
Reichsverfassung fortgelassen worden, weil er seit dem Beitritt Bayerns
	        
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