III. Bundesrat. Art. 7. 227
rats mit den konstitutionellen Rechten der Volksvertretung kann also nicht
in Betracht kommen. Die Tendenz der Verbündeten Regierungen geht sogar
anscheinend dahin, den Reichstag eher mehr, als nach der Verfassung not-
wendig ist, für die Zwecke der Gesetzgebung heranzuziehen; val. Art. 5
A 4 S. 184 f., wobei zu berücksichtigen ist, daß dies das am besten geeignete
Mittel für die Verbündeten Regierungen ist, sich von der Verantwortlichkeit
für allgemeine Anordnungen zu entlasten, deren Erfolg erst die Zukunft
lehren kann und bei denen sich lebhafte Volksströmungen für und wider
geltend machen, für deren innere Berechtigung einzutreten der Reichstag
der gegebene Faktor ist. Also daß der Bundesrat von der ihm durch
Art. 7 Ziff. 2 verliehenen Befugnis einen weitgehenden Gebrauch zu machen
geneigt sein wird, ist kaum anzunehmen; er hat es bisher nicht getan und es
entspricht fast der Praxis — vgl. v. Jagemann S. 94 —, daß eine Ermächti-
gung zum Erlaß von Verordnungen für den Bundesrat ausdrücklich in
das Gesetz aufgenommen wird; dabei ist allerdings auch in Betracht zu
ziehen, daß durch diese Ermächtigungen dem Bundesrat oft viel weiter-
gehende Rechte verliehen werden, als er sie auf Grund des Art. 7 Ziff. 2
in Anspruch nehmen könnte; z. B. wird ihm oft das Recht gegeben, von
der durch das Gesetz gegebenen Regel im Verordnungswege Ausnahmen zu
bestimmen, also Verordnungen zu erlassen, die ohne diese Ermächtigung
contra legem sein würden.
Die Frage, ob ohne eine besondere gesetzliche Ermächtigung ein über
die Bestimmung des Art. 7 Ziff. 2 hinausgehendes Verordnungsrecht für
den Bundesrat besteht, ist zu verneinen, und damit das verfassungsmäßige
Verordnungsrecht des Bundesrats dahin zu begrenzen, daß die Verordnungen
nur zur Ausführung bestehender Reichsgesetze erlassen werden dürfen. Die
Reichsverfaffung enthält außer Art. 7 Ziff. 2 keine generelle Bestimmung,
durch die das Gebiet der Gesetzgebung von dem der Verordnung abgegrenzt
wird; fie bestimmt insbesondere nicht positiv, welche Materien der Gesetz-
gebung vorbehalten find, abgesehen von einigen, nur Einzelfälle betreffenden,
das Gebiet der Gesetzgebung keineswegs erschöpfenden Bestimmungen, z. B.
Art. 69 (Etat), 73 (Anleihe) 60 (Feststellung der Friedens-Präsenzstärke des
Heeres), 20 (Wahlgesetz). Es ist aber von folgenden Gesichtspunkten aus-
zugehen:
Gesetz und Verordnung find Begriffe, die sich ausschließen, weil das
Merkmal des Gesetzes gemäß Art. 5 R.V. darin besteht, daß es unter gleich-
berechtigter Mitwirkung der Volksvertretung erlassen wird, während für die
Verordnung das Gegenteil wesentlich ist. Nach allgemeinen Grundsätzen
des Staatsrechts, die in der Reichsverfassung offenbar als bekannt und an-
erkannt vorausgesetzt find, gilt die Gesetzgebung als die höhere, die Ver-
ordnung stets verdrängende Rechtsquelle. Die Verordnung kann sich daher
— mangels einer besonderen reichsgesetzlichen Bestimmung — immer nur
auf das von der Gesetzgebung nicht ergriffene Gebiet erstrecken. Zorn ##
S. 425 f. vertritt die Ansicht, daß für die Abgrenzung der Sphäre von
Gesetz und Verordnung sich ein innerer Gesichtspunkt nicht feststellen laffe;
es müfsse vielmehr und könne nur aus dem positiven Recht entnommen
werden, wo die Form des Gesetzes zur Anwendung zu kommen haben, und
wo pofitive Vorschriften fehlten, entscheide sich die Frage nur aus Gesichts-
punkten der Gesetzgebungspolitik. Diese Ansicht würde für die Reichsver-
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