III. Bundesrat. Art. 7. 231
nur neue Gesetzesvorlagen oder eine AÄAnderung der Ausführungsvorschriften
und Einrichtungen beschließen können. Doch trägt Ziff. 3 auch dem Fall
Rechnung, daß ausnahmsweise nur eine Erledigung des einzelnen Falls
durch entsprechende Einwirkung auf die beteiligten Landesregierungen, even-
tuell auf den Reichskanzler stattfinden soll und deshalb für die regelmäßig
auf eine generelle Regelung abzielenden Gesetzesvorschläge und Verwaltungs-
vorschriften kein Raum ist. Vor allem ist wohl mit Ziff. 3 der Zweck
verfolgt, besonders hervorzuheben, daß der Bundesrat die staatsrechtliche
Pflicht hat, sich dauernd mit der Sorge zu beschäftigen, ob die von ihm
ins Leben gerufenen Einrichtungen der Gesetzgebung und Verwaltung gut
funktionieren. Die Materialien der Reichsverfassung geben über die Frage
der Bedeutung der Ziff. 3 keinen sicheren Aufschluß. Wie Ziff. 1 und 2
fehlte Ziff. 3 in der Verfassung des Norddeutschen Bundes; die entsprechende
Bestimmung befand sich dort im Art. 37 und betraf nur die gemeinschaft-
liche Zoll- und Steuergesetzgebung. Im konst. Reichstage von 1867 hat
zu dieser Bestimmung niemand das Wort ergriffen, und zu der Neuein-
führung der Bestimmung in den Art. 7 hat nur der Abg. Lasker, und zwar
in der Reichstagssitzung v. 7. Dez. 1870 (St. B. 122) in Verbindung mit
seinen Ausführungen zu dem sonstigen Inhalt des Art. 7 folgende Er-
klärung abgegeben:
„Den zweiten Teil, welcher die Abhülfe der Mängel dem Bundesrat
überweist, verstehe ich dahin, daß die tatsächliche Exekutive allein durch
das Bundeskanzleramt vermittelt wird, daß der Bundesrat irgend welche
Mängel als vorhanden konstatiert und Abhülfe beschließt und daß diese
dann durch die Beamten des Bundeskanzlers oder durch das Bundes-
kanzleramt unter der Leitung des Bundeskanzlers erfolgen muß.“
Dabei gilt zweifellos das bei Art. 4 All 2 S. 103 näher erörterte, für
jede Aufsichtstätigkeit der Reichsorgane grundlegende Prinzip, daß sie gegen-
über den Einzelstaaten erst einschreiten und überhaupt erst Stellung nehmen,
wenn der in dem Einzelstaat gegebene Instanzenzug erschöpft ist und wenn
es sich um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung handelt. In diesem
Sinne ist z. B. in der Reichstagssitzung v. 28. Jan. 1904 St. B. 563 die
Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 von dem Staatssekretär des Innern Graf
v. Posadowsky-Wehner ausgelegt worden, und diese Auslegung entspricht eben-
sosehr der allgemeinen Tendenz der Reichsverfassung als fie eine politische und
verwaltungstechnische Notwendigkeit ist. Wenigstens gilt dies für den praktisch
häufigsten Fall, daß die Ausführung der Reichsgesetze den Landesbehörden
obliegt. Soweit dies nicht der Fall ist, wird es sich in der Regel um
Materien handeln, bei denen die praktische Verwaltung lediglich den Be-
fehlen des Kaisers unterworfen ist, also um das Heer, die Marine, die
Diplomatie, das Konsulats-, Post= und Telegraphenwesen. Hier ist für
eine Wirksamkeit des Bundesrats auf Grund des Art. 7 Ziff. 3 überhaupt
kein Raum. Der Kaiser ist kein dem Bundesrat untergeordnetes Reichs-
organ, sondern in den Grenzen seiner Zuständigkeit souverän, ebenso wie es
die Verbündeten Regierungen auf dem nicht dem kaiserlichen Machtbereiche
vorbehaltenen Gebieten find. In Ansehung der Sachgebiete also, die nur
der Oberleitung des Kaisers unterstellt find, ist der Reichskanzler ausschließ-
lich für die richtige Durchführung der Reichsgesetze und der zu ihrer Aus-
führung erlassenen Verordnungen und getroffenen Einrichtungen verantwort-