IV. Präsidium. Art. 11. 307
er andererseits, wie der Präsident mit Recht bemerkte, die Annahme auch
nicht an Klauseln binden, sondern nur unbedingt erklären oder unbedingt
verweigern darf, so ergibt sich, daß der Reichstag nicht in der Lage ist, in
den Vertrag irgend eine zeitliche Beschränkung zu bringen, die von der
Reichsverwaltung nicht schon von Hause aus in den Vertrag ausgenommen
worden ist. Die Frage der zeitlichen Beschränkung behandelte von prin-
zipiellem Standpunkte aus der Reichskanzler Fürst Bülow in nachstehender
Erklärung St.B. 5609 A:
„Namens der Verbündeten Regierungen muß ich diesen Antrag für
unannehmbar erklären. Wenn die Verbündeten Regierungen im vor-
liegenden Falle dem in diesem Antrage enthaltenen Grundsatz zustimmen
wollten, (gemeint ist der zweite Teil des Antrages betr. Verlängerung
der Konvention), so könnte die gleiche Forderung aus dem Reichstag heraus
gegenüber allen kündbaren internationalen Abkommen des Reichs erhoben
werden. Das hohe Haus hat als gesetzgebende Versammlung zu erwägen
und zu beschließen, ob es einem ihm von den Verbündeten Regierungen
vorgelegten derartigen internationalen Abkommen seine Zustimmung erteilen
will oder nicht. Ist die Zustimmung aber erteilt, so muß es der Er-
wägung der Verbündeten Regierungen überlassen bleiben, selbst den Zeit-
punkt zu wählen, der geeignet ist, den bestehenden Zustand zu ändern und
die durch den Vertrag für das Reich geschaffenen Verhältnisse auf eine neue
Grundlage zu stellen. Eine vorherige parlamentarische Erörterung dieses
Zeitpunktes und die öffentliche Mitteilung der maßgebenden Erwägungen
ist sachlich ausgeschlossen. Der Exekutive muß das Recht gewahrt bleiben,
nach ihrem Ermessen und der jeweiligen Sachlage auch die Kontinuität
eines bestehenden Zustandes bis auf weiteres aufrecht zu erhalten."“
Eine weitere Frage ist es, ob die Anderung der Staatsform die Geltung
der Staatsverträge berührt. Zorn 1 S. 516 verneint es, abgesehen von
dem Falle, daß die Staatsform bei Abschluß des Vertrages eine unzweifel-
hafte Voraussetzung gewesen ist. Grundsätzlich ist dies richtig, d. h. staats-
rechtlich und völkerrechtlich sollte es eigentlich so sein, daß auch bei Ände-
rungen der Staatsform sich die neuen Machthaber als Rechtsnachfolger der
früheren fühlen und sich an deren Verpflichtungen für gebunden halten.
Tatsächlich ist es oft nicht der Fall, und wie es auch in anderen An-
gelegenheiten des internationalen Verkehrs geschieht, spielen Fragen der
Politik nicht selten in der Praxis eine größere Rolle als die Fragen des
— übrigens ungeschriebenen — Rechts. Selbst ein nur auf Personenfragen
beruhender Regierungswechsel ist oft für die loyale Ausführung und für
die Kündigung der von einer früheren Regierung geschlossenen Staats-
verträge von der größten Bedeutung. Staaten, in denen das parlamentarische
System scharf ausgebildet ist, in denen also die Regierung mehr oder
weniger zufälligen Parlamentsmehrheiten unterworfen ist und deshalb oft
selbst und mit ihr die Richtung der Politik gewechselt wird, bieten daher
für den Abschluß von Staatsverträgen nicht die gleichen Voraussetzungen,
wie Staaten mit einer ruhigen und stetigen Politik und einem auch bei
dem Wechsel der Parlamente und Regierungsvertreter feststehenden Punkte
der staatlichen Macht.
Für das Reich wird allgemein angenommen, daß es bezüglich der
von Preußen geschlossenen Staatsverträge, soweit sie ausschließlich Reichs-
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