Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

382 IV. Präsidium. Art. 18. 
„Soweit die Anstellung der Reichsbeamten nicht unter dem ausdrück- 
lichen Vorbehalte des Widerrufs oder der Kündigung erfolgte, gelten 
dieselben als auf Lebenszeit angestellt." 
Reichsbeamter im Sinne der Reichsverfassung ist also, wer als solcher 
vom Kaiser oder kraft kaiserlicher Delegation des Anstellungsrechts von der 
Reichsverwaltung angestellt ist. Unter das Reichsbeamtengesetz fallen außer- 
dem die von den Landesregierungen angestellten Beamten der Post= und 
Telegraphen- sowie der Militärverwaltung; vgl. das Reichsgericht (III Cs. 
Urt. v. 4. Mai 1880 Bd. 1 S. 309 und II. Cs. Urt. v. 26. Okt. 1880 Bd. 2 
S. 101 und 114). 
II. Reichsbehörden. 
Reichsbehörden sind nach Laband I S. 340 diejenigen Behörden, 
welche Geschäfte des Reichs führen und ihre Autorität unmittelbar von der 
Reichsgewalt ableiten. Dieser Definition steht entgegen, daß sie einen 
Begriff verwendet, der durch das positive Recht nicht festgelegt ist und zu 
Zweifeln Veranlassung geben kann, nämlich den Begriff der Reichsgeschäfte. 
Es kann mindestens zweifelhaft sein, ob man nicht auch von denjenigen 
Landesbehörden, welche Reichsgesetze für Rechnung des Reichs ausführen, 
wie die Heeresverwaltung und die Verwaltung der Zölle und indirekten 
Steuern, sagen darf, daß sie Reichsgeschäfte führen. Der Begriff der Reichs- 
behörden wird deshalb einfach dahin festgestellt, daß es solche Behörden 
find, deren Mitglieder — wenigstens die Mitglieder im Hauptamt — aus 
Reichsbeamten bestehen und der Begriff des Reichsbeamten wird durch 
Art. 18 R.V. bestimmt. Bei bureaukratisch eingerichteten Behörden, z. B. 
den obersten Reichsämtern, würde es nur darauf ankommen, daß der Chef 
Reichsbeamter ist, da alle anderen Beamten einer solchen Behörde staats- 
rechtlich nur Hülfskräfte des Chefs sind, mit denen er seine persönliche 
Arbeitskraft vervielfältigt. Eine die sachliche Tätigkeit der Reichsbehörden 
erfassende Begriffsbestimmung läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen. 
Demgemäß sind die Behörden, welche die Zölle und indirekten Steuern für 
das Reich verwalten, Landesbehörden, von den ordentlichen Gerichten das 
Reichsgericht eine Reichsbehörde, die Gerichte der unteren Instanzen Landes- 
behörden, ähnlich auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung das Reichs- 
Versicherungsamt eine Reichsbehörde, die Arbeiter-Schiedsgerichte Landes- 
behörden. Die Armee-Verwaltungsbehörden, d. h. die Kriegsminister der 
Einzelstaaten mit allen ihren untergebenen Verwaltungestellen find eben- 
falls Landesbehörden, weil die Offiziere und die anderen Personen des 
Soldatenstandes unter den Beamtenbegriff überhaupt nicht fallen und die 
Militärbeamten zwar dem Reichsbeamtengesetz unterliegen, aber nicht Reichs- 
beamte im Sinne des Art. 18 R.V. sind; vgl. auch § 157 des Reichs- 
beamtengesetzes. 
Da es nur notwendig ist, daß die der Behörde im Hauptamt an- 
gehörenden Beamten Reichsbeamte sind, tut es der Eigenschaft des Reichs- 
Versicherungsamts und des Patentamts als Reichsbehörde keinen Abbruch, 
daß ein Teil von ihren nicht hauptamtlich angestellten Mitgliedern keine 
Reichsbeamten find; vgl. Laband 1 S. 341 A. 1. Dagegen werden allerdings 
zwei eigenartig gebildete Reichsbehörden — die Reichsschuldenkommission und 
das Reichsbank-Kuratorium — von der oben gegebenen Begriffsbestimmung
	        
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