528 VII. Eisenbahnwesen. Art. 42.
IV. Die Aufhebung des Widerspruchsrechts gegen Parallel=
und Konkurrenzbahnen.
Die Bestimmung des Abs. 3 beruht auf einem Antrag des Abg.
Michaelis aus der Sitzung des konst. Reichstags v. 1. April 1867 St.B. 504.
Man nahm an, daß die unbeschränkte Zulassung der Konkurrenz für die
Zukunft des Eisenbahnwesens förderlich wirken würde.
Parallel- und Konkurrenzbahnen find nicht identisch. Parallelbahnen
sind Bahnen, die ungefähr dieselbe Richtung innehalten, wie die mit dem
Widerspruchsrecht ausgestattete Strecke; es ist nicht notwendig, daß fie eine
wirksame Konkurrenz ausüben; dies kann z. B. dadurch ausgeschlossen sein,
daß sie durch ungünstigere technische Bedingungen auf die Erhebung höherer
Tarife angewiesen find. Umgekehrt brauchen Konkurrenzbahnen, d. s. Bahnen,
die, weil fie dasselbe Ziel erreichen, also wirtschaftlich demselben Zweck
dienen, eine wirksame Konkurrenz bilden, nicht als Parallelbahnen ausgebaut
zu sein; bei besonders günstigen technischen Bedingungen können fie trotz
größerer Umwege, welche den Begriff der Parallelbahn ausschließen, kon-
kurrenzfähig bleiben. Ein Verbot von Parallelbahnen für den Zeitraum
von 30 Jahren seit der Eröffnung der geschützten Bahn enthielt z. B. § 44
des zum großen Teil noch jetzt in Kraft befindlichen preuß. Eisenbahnges.
v. 3. Nov. 1838 (Ges. S. S. 505).
Ob es sich um wohlerworbene Rechte oder um bloße Exspektanzen
handelt, ist im einzelnen Falle zu prüfen. Eine Zusicherung in der Kon-
zessionsurkunde dürfte stets als ein wohlerworbenes Recht anzusehen sein;
von allgemein gehaltenen Zusicherungen, wie sie Gesetze, z. B. das preuß.
Ges. v. 1838 enthalten, gilt nicht dasselbe. Es ist anzunehmen, daß überall,
wo ein solches Recht wirklich besteht, es in der Konzessionsurkunde aus-
drücklich bestätigt ist; vgl. Arndt S. 307 A. 7, v. Rönne II 1 S. 325 A. 7
und v. Seydel S. 272.
Artikel 42.
Die Bundesregierungen verpflichten sich, die Deutschen Eisenbahnen
im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten
und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen
Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
Art. 42 enthält den leitenden Grundsatz des VII. Abschnitts der Reichs-
verfafsung. Daß nicht diese Bestimmung, sondern die des Art. 41 an die
Spitze des Abschnitts gestellt wurde, ist ein Fehler der Redaktion.
Dem Reich ist nach Art. 4 Ziff. 8 die Gesetzgebung und Aufsicht über
das Eisenbahnwesen „im Interesse der Landesverteidigung und des allge-
meinen Verkehrs“ übertragen. Der materielle Inhalt dieser Gesetzgebung
ist durch den VII. Abschnitt vorgezeichnet. Hier sind die Grenzen für eine
Eisenbahngesetzgebung gezogen, die auf die Aufgabe der Wahrung der
Interessen der Landesverteidigung und des allgemeinen Verkehrs beschränkt
ist und alle Staatshoheitsrechte, die mit diesem Oberaufsichtsrecht des Reichs
noch vereinbar sind, unberührt läßt. Auch das Oberaufsichtsrecht des Reichs
erstreckt sich danach nicht auf das gesamte Eisenbahnwesen, sondern ist eben-