564 IX. Marine und Schiffahrt. Art. 54.
Ansicht ist im Anschluß an den zu Art. 7 AlllI S. 216 ff. dargelegten Stand-
punkt beizutreten. Art. 54 enthält reichsgesetzliche Bestimmungen — da die
Verfassung auch ein Reichsgesetz ist — zu deren Ausführung der Bundes-
rat auf Grund des Art 7 Ziff. 2 die erforderlichen Verordnungen er-
lassen darf.
III. Schiffahrtsabgaben.
Durch § 19 des preuß. Kanalgesetzes v. 1. April 1905 (Ges. S. S. 179)
ist die Erhebung von Schiffahrtsabgaben „auf den im Interesse der Schiff-
fahrt regulierten Flüssen“ vorgeschrieben, und diese Abgaben find so bemessen,
daß „ihr Ertrag eine angemessene Verzinsung und Tilgung derjenigen Auf-
wendungen ermöglicht, die der Staat zur Verbesserung oder Vertiefung jedes
dieser Flüsse über das natürliche Maß hinaus im Interesse der Schiffahrt
gemacht hat.“
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung find unter Berufung
auf Art. 54 im Reichstag und im preuß. Abgeordnetenhause, ferner in
einer umfangreichen Literatur (vgl. besonders Peters, Schiffahrtsabgaben
Leipzig 1906), in der Presse und in den Vereinen und Versammlungen der
Interefssenten-Verbände Bedenken erhoben worden; es wurde in Zweifel
gezogen, ob die zur Verbesserung und Vertiefung der Flüsse ausgeführten.
Arbeiten unter den Begriff der „besonderen Anlagen“ im Sinne des Art. 54
Abs. 4 fallen, während die Befürworter der Abgaben diesen Zweifeln gegen-
über sich u. a. darauf beriefen, daß Ströme, deren natürlicher Lauf so um-
fangreiche Veränderungen erfahren habe, wie z. B. der Rhein, mindestens
zu einem Teil ihres Laufs nicht mehr als „natürliche Wasserstraßen“ im
Sinne des Art. 54 Abs. 4 angesehen werden könnten. Von der preußischen
Regierung und der Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses wurden die
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Schiffahrtsabgaben nicht geteilt,
wie aus der Tatsache hervorgeht, daß das Kanalgesetz von 1905 erlassen
worden ist, und für Preußen ist mit dem Erlaß dieses Gesetzes die Frage
überhaupt erledigt. Die gerichtliche Rechtsprechung kommt nicht in Betracht,
weil für die Erhebung oder Rückforderung von Abgaben — abgesehen von
den hier nicht zutreffenden Ausnahmen — in Preußen der Rechtsweg nicht
gegeben ist. Die Streitfrage wird aber voraussichtlich demnächst auch für
das Reich ihre Erledigung finden, weil im Wege eines Reichsgesetzes, dessen
Entwurf dem Bundesrat bereits zugegangen und in Nr. 62 des Reichs-
anzeigers v. 13. März 1909 veröffentlicht ist, der Sinn des Art. 54 durch
eine Veränderung seines Wortlauts entsprechend der Auffassung, die dem
preußischen Kanalgesetz zugrunde liegt, klargestellt werden soll. Danach ist
beabsichtigt, den 2. Satz des Abs. 3 zu streichen und dem Abs. 4 folgende
Fassung zu geben:
„In allen Häfen und auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Ab-
gaben nur für solche Werke, Einrichtungen oder sonstige Anstalten erhoben
werden, welche den Verkehr wesentlich erleichtern. Diese Abgaben sowie
die Abgaben, welche auf künstlichen Wasserstraßen erhoben werden, dürfen
bei staatlichen Anstalten oder Wasserstraßen die zur Herstellung und Unter-
haltung erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Der Bemessung der Ab-
gaben, mit Ausnahme der Abgaben für die dem örtlichen Verkehr
dienenden Anstalten, können im Bereiche der Binnenschiffahrt die Gesamt-
kosten für ein Stromgebiet oder Wasserstraßennetz zugrunde gelegt werden.